Geschäfte, Restaurants, Theater, Partys – das Stadtleben bietet eine Menge. Die Kehrseite: Lärm, Anonymität und Stress. Das kann ernsthaft krank machen. Wie vermeiden: Durch gute Freunde und Balance von Stimulation und Ruhe, so die Austria Presse Agentur (APA).

Tempo statt Langeweile, Inspiration und Eindrücke an jeder Ecke: Das Leben in der Stadt kann spannend sein und richtig guttun. Muss es aber nicht: Dass nicht jeder jeden kennt und quasi nie die Gehsteige hochgeklappt werden, bedeutet auch Lärm, Anonymität und für manch einen Stress. Und das kann zu einer echten Belastung werden.

Stadt vs. Land

Unter Städtern sind psychische Erkrankungen häufiger als unter Landbewohnern. Und zwar deutlich häufiger: „Angsterkrankungen und Depressionen kommen bei Menschen, die in der Stadt leben, etwa 30 bis 40 Prozent häufiger vor“, sagt der Psychiater Prof. Andreas Meyer-Lindenberg vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Schizophrenie, so ein Ergebnis seiner Untersuchungen, tritt bei Menschen, die in der Stadt aufgewachsen sind, sogar dreimal so oft auf wie bei Menschen, die auf dem Land leben. Das gilt, so Meyer-Lindenberg, nicht nur für eine bestimmte Stadt, sondern ist in aller Welt so.

„Je größer die Stadt, in der man aufgewachsen ist, desto höher das Schizophrenie-Risiko als Erwachsener“, ergänzt der Stressforscher OA Dr. Mazda Adli von der Berliner Charité. Was genau am Leben in der Stadt krank macht, wird derzeit von Meyer-Lindenberg erforscht und auch von Adli, der Anfang des Jahres mit Stadtplanern, Architekten und Neurowissenschaftlern die Fachgruppe Neurourbanistik gegründet hat.

„Empfindlicheres“ Hirn

Dem Laien fällt auf Anhieb einiges ein, was nerven kann: Lärm, Dreck und Staub, Gerüche, beengte Wohnverhältnisse, Anonymität. Meyer-Lindenberg und sein Team fanden heraus, dass Stress und Gefühle bei Menschen aus der Großstadt anders verarbeitet werden. Ihr Hirn reagiert deutlich empfindlicher auf Stress als das von Kleinstädtern und erst recht das von Landbewohnern.

Nun wird nicht jeder, der in der Stadt lebt, auch psychisch krank. Ein erhöhtes Risiko hat, wer genetisch oder durch einschneidende psychologische Erlebnisse vorbelastet ist. Auch sind manche Menschen gelassener als andere. Und eine Menge Städter empfinden es gerade als wohltuend, dass in der Stadt immer etwas los ist. Davon, so Adli, können jedoch nur diejenigen profitieren, die sich dem jederzeit entziehen können, wenn es ihnen reicht.

Kontrolle entscheidend

„Wenn Menschen das Gefühl haben, sie können ihr Leben kontrollieren und entscheiden, ob sie sich zurückziehen oder unter Freunde gehen, fühlen sie sich wohl“, erklärt die Neurologin und Psychiaterin Dr. Iris Hauth vom Alexianer St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN). „Wer dies nicht kontrollieren kann, ist den Stresseffekten der Großstadt mehr ausgeliefert.“ Sozial isoliert ist manch einer in der Großstadt. „80 Prozent der Menschen in der Stadt kennen ihre Nachbarn nicht“, erklärt Meyer-Lindenberg. „Dabei ist ein soziales Netzwerk für die psychische Gesundheit eines Menschen sehr wichtig.“

Die Folgen der Belastung sind nicht gleich offenbar. „Stadtstress ist Kriechstress“, fasst es Adli zusammen. „Er kommt unbemerkt daher.“ Die Belastung zeigt sich Hauth zufolge durch eine gereizte Stimmung, durch Angespanntheit und Schlafstörungen. „Nun ist nicht jeder Stress auf die Großstadt zurückzuführen“, räumt Hauth ein. Beruflicher Druck oder Ärger belastet. „Wenn Großstadtstress hinzukommt, kann sich die Situation zuspitzen.“

Fixer Termin für Ausgleich hilft

Wer die Symptome an sich bemerkt, sollte so früh wie möglich gegensteuern. Die erste Maßnahme: Für Entspannung und Ausgleich zu der Anspannung sorgen. Der eine mag Sport, der andere entspannt bei Yoga. Wohl tut auch ein Wochenendausflug aufs Land, in die Natur.

„Wichtig ist es, einen festen Termin in der Woche für diese Auszeit festzulegen“, rät Hauth. Hilft diese Eigeninitiative nicht, sollte der Hausarzt oder ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie aufgesucht werden. Denn ändert man nichts an den Umständen, ist das Risiko für eine Angststörung oder Depressionen laut Hauth hoch. Um dem Stress etwas entgegenzusetzen, rät Meyer-Lindenberg zu mehr Achtsamkeit, die etwa in Kursen an der Volkshochschule vermittelt wird. Bewusst den Augenblick mit allen Sinnen wahrnehmen bringe „eine massive Besserung der Lebensqualität“.

Menschliche Kontakte suchen

Da aber die soziale Isolation einer der entscheidenden Stressfaktoren in der Stadt ist, sollte man das Übel bei der Wurzel packen und unter Leute kommen. Und dafür sind die Möglichkeiten nirgendwo so gut wie in der Stadt. Viele Menschen – Problem und Lösung in einem. Denn: „Wenn man ins Theater oder ins Café geht, kommt man zwar unter Menschen, doch lernt man nicht unbedingt jemanden kennen“, sagt Hauth. Besser sollte man überlegen, wo die eigenen Interessen liegen und wo man mit Gleichgesinnten Kontakt knüpfen kann. Adli nennt Chor, Lesekreis, Sportverein oder kirchliche Begegnungsstätten.

Am einfachsten, könnte man meinen, wäre der Umzug in ländlichere Gefilde. Die Sehnsucht nach dem Leben auf dem Land ist in den vergangenen Jahren nicht umsonst so groß geworden, sagt Adli. Allerdings ist auch auf dem Land nicht alles pure Romantik. Besser ist es, sich bewusst zu machen, was die eigenen Bedürfnisse sind – und dann die Stadt neu für sich zu entdecken.

 

 

Erholsame Nächte sind wichtig für unsere Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit, die Funktion des Immunsystems und die Regeneration des Stoffwechsels.

Die Zellen werden in der Nacht repariert und neu Erlerntes im Gedächtnis abgespeichert. Im Schnitt braucht ein Erwachsener zwischen sieben und acht Stunden Schlaf. Laut Schlafforschern sind fünf bis zehn Stunden im Normbereich. Leider graut jedem fünften Österreicher vor dem Zu-Bett-Gehen, weil er schlecht ein- oder durchschläft. Wird der Schlaf beeinträchtigt, so steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und DiabetesAngststörungen und Depressionen.

Experten des Krankenhauses der Elisabethinen in Linz haben folgende Tipps für gesunden Schlaf:

– Regelmäßige Schlafenszeiten einhalten

– Angenehme Schlafbedingungen schaffen: Kein Radio, kein TV-Gerät, kein Handy im Schlafzimmer

– Essen: Späte schwere Mahlzeiten sowie Kaffee, Alkohol und Nikotin meiden

– Körperliches Training soll zwei Stunden vor dem Schlafengehen abgeschlossen sein. Training untertags fördert gesunden Schlaf

– Entspannungsübungen: Sorgen und Streit nicht mit ins Bett nehmen. Entspannungsübungen können helfen

– Rituale zur Beruhigung und Entspannung pflegen: Ein Bad, Spaziergang, Meditation, Musik hören

– Pflanzenpräparate aus Hopfen, Melisse, Baldrian, Passionsblume können helfen

– Raumtemperatur um 18 Grad ist optimal

– Licht: Schlafzimmer gut abdunkeln.

 

Nach einer Krebstherapie folgt die Zeit der medizinischen Kontrollen. Diese dauern in der Regel fünf Jahre lang. Sie wahrzunehmen ist ebenso wichtig wie ein gesunder Lebensstil.

Nach einer Krebsbehandlung wird Patienten empfohlen, an Programmen zur medizinischen Nachsorge teilzunehmen. Das bedeutet im Wesentlichen die Durchführung medizinischer Kontrolluntersuchungen (z.B. körperliche Untersuchung, Blutentnahme, bildgebende oder endoskopische Verfahren). Sie dienen dazu, Rezidive (Rückfälle) frühzeitig zu erkennen. Aber auch Langzeitfolgen einer Krebserkrankung oder ihrer Behandlung – wie etwa Erschöpfung, Depressionen oder geschwächtes Immunsystem – sollen dadurch früher erkannt und therapiert werden.

Bis Risiko deutlich gesunken ist

Die Nachsorgeuntersuchungen dauern meist so lange an, bis das Risiko für einen Rückfall deutlich gesunken ist. Als Faustregel dafür gelten fünf Jahre. „Wie lange regelmäßige Kontrolluntersuchungen tatsächlich notwendig sind, hängt von der Krebsart, vom individuellen Krankheitsverlauf und von den Nebenwirkungen und Spätfolgen der Erkrankung und der Therapie ab“, erklärt Prim. Dr. Daniela Gattringer, Leiterin des Instituts für Physikalische Medizin und Rehabilitation im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Linz. Das Intervall der Kontrolluntersuchungen ist zu Beginn der Nachsorge meist kurz (z.B. alle drei Monate), treten keine Probleme auf, werden die Abstände nach und nach verlängert. Bei vielen Patienten ist einige Jahre nach der Erkrankung nur mehr eine einzige Untersuchung pro Jahr vorgesehen. Treten jedoch Beschwerden auf, sollte möglichst bald ein Arzt aufgesucht werden – auch zwischen zwei Nachsorgeterminen. Das gleiche gilt, wenn sich ein Patient übermäßig Sorgen um seine Gesundheit macht: Nicht zu lange warten und in Angst leben, sondern sich untersuchen lassen.

Ärzte stellen im Rahmen der Kontrolluntersuchungen bei Bedarf auch Kontakt zu anderen Fachleuten her, wie etwa Physiotherapeuten oder Ernährungsberatern. Wer unter Ängsten und Depressionen leidet und Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung benötigt, sollte dies in der Nachsorge ansprechen. Patienten leiden häufig an massiven Rezidivängsten und sollten in diesen Fällen einen Psychoonkologen aufsuchen. Anlaufstellen sind meist die Stellen der Krebshilfe. Manche Patienten verarbeiten ihre Ängste, indem sie sich einer Selbsthilfegruppe anschließen.

Selbst ist der Patient

Aus der Sicht des Patienten stellt die Zeit der Nachsorge oft einen neuen Lebensabschnitt dar. Ist die Zeit der Akuttherapie vorüber, beginnt für viele eine Zeit der Neuorientierung. Die erlebte Erkrankung ist eine so dramatische Erfahrung, dass viele Betroffene nun eine Art Lebensbilanz ziehen. Fragen wie „Was kann und will ich noch tun, was kann ich ändern in meinem Leben?“ tauchen auf und wollen beantwortet werden.

Auch gesundheitlich bietet die Zeit nach der Ersttherapie die Gelegenheit einer persönlichen Rezidivvorsorge. Denn man kann als Patient einiges dazu beitragen, dieses Risiko zu senken. Zwar besteht nach Abschluss der Akuttherapie die Möglichkeit einer Rehabilitation, in der man die Verbesserung des Lebensstils erlernen kann, doch vielen Patienten ist diese Möglichkeit noch nicht bekannt.

Auch im Rahmen einer medizinischen Nachsorge erfahren Patienten meist nur auf Nachfrage, was sie selbst tun können, um ihr Rezidivrisiko zu vermindern und ihre Lebensqualität zu verbessern. Es ist jedoch für die eigene Gesundheit und das Wohlergehen von entscheidender Bedeutung, als Patient auch aktiv an seinem Lebensstil und damit seiner Gesundheit zu arbeiten.

Lebensstil optimieren

Eine große Anzahl an wissenschaftlichen Studien belegt, dass bestimmte Lebensstil-Maßnahmen das Risiko eines Rezidivs senken. Ziel ist es, ein körperlich aktives Leben zu führen, Übergewicht zu vermeiden (vor allem das Bauchfett sollte möglichst vermieden werden) und natürlich nicht zu rauchen.

Die folgende Maßnahmen werden Patienten in der Phase der Nachsorge (und darüber hinaus) daher empfohlen.

Sport und Bewegung

Bewegung und Sport ist erwiesenermaßen ein probates Mittel, um das Mortalitäts- und Rezidivrisiko zu senken. Das gilt für viele Krebsarten. „Die Studienlage ist vor allem bei Brust- und Darmkrebs eindeutig, sie besagt, dass man durch regelmäßige Bewegung sein Risiko um zirka ein Viertel senken kann“, so Gattringer. Die WHO empfiehlt mindestens 150 Minuten Bewegung pro Woche, am besten aufgeteilt in Einheiten von fünf mal 30 Minuten. Zusätzlich sollte man zwei- bis dreimal pro Woche moderates Krafttraining ausführen und ganz allgemein sich im Alltag möglichst viel bewegen.

Bewegung reduziert die Entzündungsaktivitäten im Körper, vermindert oder verhindert Übergewicht und hilft zudem bei der Angstbewältigung und bei Depressionen. Bewegung ist aber nicht nur in der Nachsorge hilfreich, schon während der Tumorbehandlung sollte man sich so viel bewegen, wie eben persönlich möglich und gut verträglich ist, weil Bewegung auch die Nebenwirkungen der Therapie reduzieren kann.

Gesunde Ernährung

Krebspatienten wird empfohlen, sich gesund und ausgewogen zu ernähren. Biologische, regionale und saisonale und ballaststoffreiche Lebensmittel sind zu bevorzugen, sie enthalten am wenigsten Toxine. „Welche Ernährungsform konkret in der Zeit der Nachsorge empfohlen wird, ist von verschiedenen individuellen Faktoren, wie Tumorart, Körpergewicht, Muskelmasse und Begleiterkrankungen abhängig. Am besten ist es, sich von Diätologen beraten zu lassen“, meint Primaria Gattringer.

Stress vermeiden

Stress führt zu einem erhöhten Cortisolspiegel, der die Funktion der Immunzellen, die man für die Tumorabwehr braucht, unterdrücken kann. (Unter Stress ist hier eine lang anhaltende, negativ empfundene Belastungssituation gemeint) Meditation hilft beim Stressabbau ebenso wie körperliche Bewegung.

Persönliches Risikoprofil

Um das Risiko eines Rezidivs zu vermeiden, sollte man möglichst viele der oben angeführten Punkte umsetzen. „Ansetzen sollte man dabei vor allem dort, wo man bisher nachlässig war und daher individuell das größte Verbesserungspotential vorhanden ist. Dazu muss der Patient in sich gehen und überprüfen, in welchen Bereichen Veränderungen sinnvoll sind. Wer sich etwa bisher kaum bewegt hat, der sollte auf jeden Fall mit Sport beginnen“, rät Gattringer.

Reha

Sein Verbesserungspotential besser einschätzen und umsetzen zu können, kann man in einer onkologischen Rehabilitationsmaßnahme (Reha) erlernen. „Für viele Betroffene ist es wichtig, eine solche Reha zu nutzen, damit sie mit Empfehlungen zur Lebensstiländerung nicht alleine gelassen werden und sie bei der Umsetzung unterstützt werden. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass Patienten, die alleine versuchen, einen Lebenswandel herbeizuführen, ihre Ziele kaum erreichen und rasch wieder in alte Muster zurückfallen. Am Anfang, also gleich nach der Therapie ist die Motivation meist sehr hoch, diese flacht aber zunehmend ab. Eine Reha kann dem entgegenwirken“, sagt Gattringer.

 

 

Wenn auch das Beste nie gut genug ist: Zu hohe Ansprüche und die Angst vor Misserfolg können Körper und Seele krank machen. Ein Plädoyer für mehr Genuss und Gelassenheit.

Erinnern Sie sich noch an früher, an die Besuche bei Freunden? Es gab Spaghetti mit Tomatensauce, und wenn der Rotwein zur Neige ging, stieg man eben auf Weißwein um. Heute sehen Einladungen oft anders aus: Der Abend ist exakt durchgeplant, das Haus blitzblank, der Tisch akkurat gedeckt, die Getränke ausgesucht und das Drei-Gänge-Menü haubenverdächtig. Perfektion ist heute vielfach das Maß aller Dinge – und zwar in allen Bereichen des Lebens: ob in der Erziehung, in der Liebe, im Haushalt, beim Sport, in der Arbeit und beim eigenen Aussehen.

Wir sind die „Generation null Fehler“

Immer mehr Menschen streben danach, stets das Optimum aus allem herauszuholen – und bauen dadurch enormen Leistungsdruck auf. „Generation null Fehler“, nennt der deutsche Soziologe Heinz Bude dieses Phänomen.

„Grundsätzlich ist das Streben nach Perfektion nicht per se schlecht oder von vornherein krankmachend, sagt Michaela Schöny, klinische Psychologin an der Landesnervenklinik Wagner-Jauregg in Linz. „Im Gegenteil, Perfektion hilft uns dabei, unseren Alltag bestmöglich zu bewältigen und spornt uns auch an, erfolgreich zu sein.“

Aus medizinischer Sicht unterscheidet man allerdings zwischen „normalem“ und einem „dysfunktionalem“ Perfektionismus. Die erste Form kennzeichnet leistungsorientierte Menschen, die einfach ihr Bestes geben wollen und sich dafür auch ins Zeug legen. „Aber sie machen sich keine übertriebenen Gedanken darüber, wenn das Ergebnis einmal nicht perfekt ist, so nach dem Motto: Beim nächsten Mal läuft’s besser.“

Ganz anders agiert der dysfunktionale Perfektionist. „Seine Standards sind extrem hoch – oft unrealistisch hoch und deshalb kaum zu erreichen“, sagt Schöny. „Gleichzeitig hat er panische Angst, Fehler zu machen und Erwartungen nicht zu erfüllen. Dabei gelte das Prinzip „alles oder nichts“. „Ein Beispiel: Er hat Gäste eingeladen, alles läuft ausgezeichnet – nur am Ende wird der Dessertwein zu wenig. Dieses eine Detail reicht schon, und er bewertet den Abend als Katastrophe.“ Für ungesunde Perfektionisten gäbe es keinen Graubereich, „sie urteilten gnadenlos über Fehler oder Versäumnisse. Entweder eine Sache ist absoluter Erfolg – oder ein totales Versagen.“

Die Grenze zwischen normalem und dysfunktionalem Perfektionismus sei dabei nicht exakt zu ziehen – dennoch gäbe es gewisse Warnzeichen: „Ständige Unzufriedenheit etwa könnte ein Alarmsignal sein. Denn die stellt sich automatisch ein, wenn man sich nur noch auf die Defizite konzentriert und die Erfolge nicht mehr sieht“, sagt Michaela Schöny.

Auch ein permanent hoher Stresspegel – verbunden mit fehlenden Bewältigungsstrategien – könnte ein Anzeichen sein. „Und nicht zuletzt ist auch das persönliche Umfeld ein guter Spiegel“, sagt Schöny. „Dysfunktionale Perfektionisten stellen ja nicht nur unrealistische Ansprüche an sich selbst, sondern auch an ihre Familie, Freunde und Kollegen. Das führt über kurz oder lang zu Konflikten“, sagt Schöny.

Perfekt – bis zur Erschöpfung

Im Übermaß kann dysfunktionaler Perfektionismus aber nicht nur unglücklich, sondern auch krank machen und im schlimmsten Fall zu Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen, Burn-out und Alkoholismus führen.

Und woher kommt das ungesunde Streben nach Perfektion? „Man geht davon aus, dass der Grundstein in der Erziehung gelegt wird. Wird schon in der Familie ein hohes Maß an Perfektion vorgelebt, bekommt das Kind von klein auf vermittelt, dass es nicht erlaubt ist, Fehler zu machen“, sagt Schöny. „Perfektionismus ist also erlernt. Das heißt aber auch, dass man ihn wieder ,verlernen‘ kann – und das ist die gute Nachricht.“ Und das sind ihre sieben Tipps, wie man der Perfektionismus-Falle entkommen kann.

  1. Überlegen Sie sich, was passieren würde, wenn Sie diese oder jene Aufgabe nicht perfekt lösen können? Würde wirklich die Welt untergehen?
  2. Schauen Sie sich einmal genau an, welche Anforderungen Sie eigentlich an sich selbst und an andere Menschen stellen. Und wägen Sie dann ab: Welche sind wichtig, und wo wäre es vielleicht angebracht, die Standards anders zu definieren. Ist es etwa wirklich so wichtig, dass die Serviette immer genau an diesem oder jenem Punkt zu liegen hat?
  3. Lassen Sie am Abend ihren Tag noch einmal Revue passieren und konzentrieren Sie sich dabei auf all das, was Sie geschafft haben und was ihnen gelungen ist. Nicht darauf, was unerledigt geblieben ist oder wo Sie vermeintlich gescheitert sind.
  4. Fangen Sie damit an, sich Fehler zu erlauben und sich diese auch zu verzeihen.
  5. Versuchen Sie, Stress aktiv zu bewältigen – etwa mit Bewegung, Meditation, Musik – statt ihn zu verdrängen. Hören Sie auf die Signale Ihres Körpers!
  6. Bauen Sie Ruhephasen in ihren Alltag ein, und üben Sie sich regelmäßig in Achtsamkeit. Dabei konzentriert man sich ausschließlich auf das Hier und Jetzt und fokussiert sich auf den Moment – ohne die Dinge, die gerade passieren, zu bewerten.
  7. Machen Sie sich von Zeit zu Zeit bewusst, dass nicht immer alles zu 100 Prozent toll sein muss, dass es auch einmal chaotisch zugehen darf. Das bringt mehr Genuss und Gelassenheit ins Leben. Kinder sind da ein gutes Vorbild, die sind unbeschwert und auch dann glücklich und zufrieden, wenn nicht alles picobello ist.

Wie perfekt sind Sie?

Einmal ganz ehrlich: Welche Aussagen treffen auf Sie zu?

– Wenn ich für mich selbst nicht die höchsten Maßstäbe setze, besteht die Gefahr, dass ich zweitklassig werde.

– Ich setze mir höhere Ziele als die meisten Menschen – Planung, Organisation und Ordnung ist für mich sehr wichtig.

– Wenn ich in der Arbeit/Schule versage, bin ich als Mensch ein Versager.

– Ich hasse es, wenn ich nicht der Beste bin in dem, was ich tue.

– Je weniger Fehler ich mache, desto mehr Leute mögen mich.

– Wenn ich zum Teil versage, ist das genauso schlecht, als wenn ich im Ganzen versagt hätte.

– Meine Eltern haben sehr hohe Ansprüche an mich gestellt.

– Meine Mutter/mein Vater hatte für meine Zukunft immer höhere Erwartungen als ich.

– Ich hatte nie das Gefühl, den Erwartungen meiner Eltern zu entsprechen.

– Wenn ich nicht genauso gut bin wie andere Menschen, bedeutet das, dass ich mich minderwertig bin

 

 

In unserer Hektomatik-Welt braucht der Mensch immer wieder Zeiten des Nichtstuns. Nur so bleiben wir kreativ, leistungsfähig und gesund. Nur wer im Leben genügend Pausen macht, kann Anspannung und Stress besser abbauen, Kraft schöpfen – und nebenbei sein Gehirn dazu bringen, neue Synapsen auszubilden.

Ähnlich wie beim Schlaf – so die Theorie der Wissenschaft – könne das Gehirn im „Leerlaufmodus“ aktiv sein, um sich gerade Erlerntes oder Erarbeitetes noch einmal „durch den Kopf“ gehen zu lassen – und die Synapsen entsprechend neu zu sortieren.

„Die Enzyklopädie der Faulheit“ des deutschen Kulturwissenschaftlers Wolfgang Schneider versammelt bedeutende Persönlichkeiten, die sich Entschleunigung, Pausen und Müßiggang als wesentliche Voraussetzung für ihre Kreativität und auch für ihre psychische Gesundheit zunutze machten; darunter finden sich große Namen wie Churchill, Brecht oder auch Einstein.

Der gestresste Mensch der „Jetztzeit“ hat das „Pausemachen“ oftmals verlernt, kann die Muße nicht mehr pflegen. Das Gefühl des ständigen Gehetztseins lässt auch dann nicht nach, wenn sich der Erholungswillige nach getaner Arbeit auf die Couch setzt und auf Entschleunigung hofft. Dabei würde Innehalten und Nichtstun die Aktivität der Gehirnwellen verlangsamen, den Blutdruck senken, die Durchblutung fördern und den Energiehaushalt des Körpers verbessern. Pausen sind zudem in der Lage, das Immunsystem nachhaltig zu stärken. Der deutsche Verhaltenstrainer und Mentalcoach Peter Solc hat einen Ratgeber über wirkungsvolle Auszeiten geschrieben. Hier einige Tipps:

Bewegung: Sich körperlich zu betätigen, hilft, Energie abzubauen. Solange man still sitzt, findet die Energie, die im Stress gebunden ist, keinerlei Ventil. Wer Pausen dazu nützt, seinen Körper in Bewegung zu setzen, baut ganz klar Anspannungen ab. Im Grunde ist jede Aktivität hilfreich: Auch Putzen oder handwerkliche Arbeiten können zumindest bei geistigem und seelischem Stress helfen.

Distanz: Wer pausiert, sollte sich vom Ort der Arbeit entfernen. Gehen Sie zu Fuß in einen Park oder in ein Kaffeehaus.

Zeit für sich: Nach einer intensiven Phase – egal ob beruflich oder privat – planen Sie am besten eine halbe Stunde Pause für sich selbst ein. Lesen Sie ein wenig, hören Sie Ihre Lieblingsmusik oder sehen Sie sich beim Pausieren eine möglichst anspruchslose Sitcom an. Das hilft, den Kopf freizubekommen.

Wasser: Manche Menschen machen daraus ein Ritual: Immer, wenn sie pausieren, waschen sie sich zuerst die Hände. Die Vorstellung, wie der warme Wasserstrahl die Hektik in den Abfluss befördert, kann sehr wohltuend und entspannend sein.

Alle eineinhalb Stunden: Der Arbeits- und Organisationspsychologe Karl Westhoff ist davon überzeugt, dass es echten Sinn macht, alle eineinhalb Stunden zu pausieren. „Der Vorteil ist: Man ist nach 90 Minuten konzentrierter Arbeit in der Regel noch nicht völlig erschöpft und geht nach der Pause leichter und engagierter zurück an die Arbeit – denn der Mensch mag keine unerledigten Handlungen und möchte sie zu Ende bringen.“

Auf dem Weg in die Arbeit tippen wir auf dem Smartphone herum. In der Warteschlange im Supermarkt hören wir Musik und posten gleichzeitig, wie langsam alles vorangeht. Und auf Partys checken wir in Gesprächspausen unseren Maileingang und unsere verpassten Anrufe.

Und selbst die Wochenenden stehen unter Termindruck, schließlich will man da all das nachholen, was im Alltag zu kurz kommt: Zeit mit Familie und Freunden, traute Zweisamkeit in der Beziehung, Sport und der Haushalt muss ja auch noch gemacht werden. Wir wollen heute möglichst viel auf einmal erleben und erledigen. Denn wir leben, wie der deutsche Soziologe Hartmut Rosa diagnostiziert, in einer „Beschleunigungsgesellschaft“, in der das Gefühl des Gehetztseins zum Dauerzustand geworden ist. „Was wir dabei schmerzlich vermissen, sind nicht so sehr die Zeiten des erschöpften Ausruhens, sondern vielmehr jene mußevollen Stunden, in denen wir Herr über unsere Zeit sind und unsere eigentliche Bestimmung suchen.“

Herr über unsere eigene Zeit

Wir sehnen uns nach Auszeiten und fürchten zugleich das Nichtstun, schreibt auch der Wissenschaftsjournalist Ulrich Schnaber in seinem Buch „Muße“.

Dabei wäre genau das der Zustand, den Hirnforscher als dringend nötig für die Regernation erachten. Wie Experimente zeigen, braucht unser Gehirn immer wieder Auszeiten vom permanenten Getriebensein, sonst leiden nicht nur Fantasie und Kreativität, sondern auch soziale Beziehungen und letztlich die Gesundheit.

„Muße ist viel mehr als Pause machen, es bedeutet, sich selbst Raum zu geben – weit weg von Zwängen, Stress und Leistungsdruck“, sagt Hartmut Rosa. „Das kann eine Tätigkeitsform sein, bei der man mit sich selbst vollkommen im Reinen ist.“

Ein Zustand also, in dem man einer Aktivität nachgeht, deren Anforderungen genau den eigenen Fähigkeiten entsprechen. Und Vorsicht: Wer Muße nur als Zeit der Wellness und Fitness versteht, unterwirft sie prompt wieder jenem Nützlichkeitsdenken, das bereits unseren gesamten Arbeitsalltag regiert.

Müßiggang pflegen – so kann’s gelingen

Wikipedia erklärt Muße als „die Zeit, die eine Person nach eigenem Wunsch nutzen kann, um sich zu erquicken und zu erbauen“.

Abschalten: Einen Abend in der Woche (besser noch einen ganzen Tag) bewusst frei- halten und nicht verplanen.

Achtsamkeit: Bewusst sehen, riechen, schmecken, empfinden: Achtsamkeit und Muße gehen Hand in Hand.

Meditation: Viele von Hektik getriebene Menschen haben große Angst vor der Stille und davor, in sich hineinzuhören. Am besten tastet man sich deshalb behutsam an die Stille heran, indem man zum Bespiel täglich ein paar Minuten meditiert oder Entspannungsübungen praktiziert.

 

Eine bestimmte Form von Meditation kann Nervenfasern im Gehirn stärker verändern als eine reine Entspannungsübung. Laut einer Studie von US-Forschern wird die betroffene Gehirnregion mit der Kontrolle von Wahrnehmung und Emotionen in Verbindung gebracht sowie mit der Fähigkeit, Konflikte zu lösen.

In einem vorderen Teil der Hirnrinde habe sich nach dem Meditationstraining die Isolierung der Nervenzellfortsätze (Axone) deutlich verbessert, was zu einer schnelleren Durchleitung von Signalen führe, berichten Forscher um Yi-Yuan Tang von der Texas Tech University in Lubbock (US-Staat Texas).

„Integrative Body-Mind Training“

Die Aufmerksamkeitsmeditation (Integrative Body-Mind Training)

beinhaltet neben der Körperentspannung auch Aufmerksamkeitstraining und Tagträume. In einer Studie wurden 45 Studierende der University of Oregon, in einer weiteren Studie 68 Studierende der chinesischen Dalian University of Technology in zwei Gruppen aufgeteilt.

Alle Teilnehmenden hatten zuvor keine Erfahrung mit meditativen Übungen. Eine Gruppe erhielt Aufmerksamkeitsmeditation, die andere Entspannungsübungen. In der ersten Studie erstreckte sich das Training über vier Wochen mit insgesamt elf Stunden, in der zweiten Studie über zwei Wochen mit fünf Stunden.

Mit Hilfe eines speziellen Bildgebungsverfahrens untersuchten Yi-Yuan Tang und sein Team die Veränderungen. Dabei zeigte sich bei der Gruppe mit der Aufmerksamkeitsmeditation nach vier Wochen in bestimmten Hirnregionen eine geringere Durchlässigkeit der Zellwände, was für eine bessere Isolierung spricht. Zudem vermuten die Forscher eine Verdichtung der Nervenfasern.

Lernen und Krankheiten besser verstehen

Kulturell bedingte Unterschiede zwischen US-amerikanischen und chinesischen Studenten, die die Wissenschaftler vorab angenommen hatten, konnten sie in ihren Studien nicht belegen.

Die Wissenschaftler sehen in ihren Ergebnissen einen weiteren Schritt dazu, die Veränderungen von Gehirnstrukturen beim Lernen besser zu verstehen. Zudem zeige die Studie mögliche Ansätze für Therapien von psychischen Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen, Schizophrenie, dem Borderline-Syndrom und der Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Bei diesen Erkrankungen sei die Selbstregulierung der Wahrnehmungs- und Emotionskontrolle beeinträchtigt, schreiben die Wissenschaftler.

Die Studie:

„Mechanisms of white matter changes induced by meditation“ erscheint in den „Proceedings“ der US-Akademie der Wissenschaften (sobald online).

 

Wer regelmäßig Yoga macht, lebt offenbar wirklich gesünder. US-Wissenschaftler haben festgestellt, dass Frauen, die regelmäßig Yoga praktizieren, ein geringeres Entzündungsrisiko haben.

Das zeigt sich am niedrigeren Spiegel an Interleukin-6 (IL-6) im Blut. Selbst bei Stress stieg der Wert weniger an als bei einer Vergleichsgruppe, bestehend aus Yoga-Anfängerinnen.

IL-6 wird auch als Immunbotenstoff bezeichnet. Er ist ein wichtiger Teil von Entzündungsgeschehen und wird auch mit Herzkrankheiten, Schlaganfall, Diabetes oder Gelenksentzündungen in Verbindung gebracht. „Die Reduktion von Entzündungen könnte kurz- und langfristig erhebliche Vorteile für die Gesundheit bringen“, so die Wissenschaftler von der Ohio State University.

Geringere Stressantwort

Für ihre Studie untersuchten die Forscher 50 Frauen, ein Teil davon Yoga-Anfänger, der andere Teil Yoga-Experten, welche wenigstens während der vergangenen zwei Jahre regelmäßig die Übungen praktizierten.

Beide Gruppen wurden mehrfach mit schriftlichen Aufgaben, psychologischen Tests und dazwischen auch körperlichem Stress wie Kälte konfrontiert. Dabei wurden über Katheter laufend Blutuntersuchungen durchgeführt. Nach dem stressenden Programm sollten die Probandinnen eine Yoga-Übung machen, auf einem Laufband langsam gehen oder auch langweilige Videos ansehen.

„Zusammenfassend hatten die Yoga-Expertinnen schon zu Beginn der Studie niedrigere Entzündungs-Werte als die Novizinnen, die Expertinnen waren auch besser imstande, die Stressantworten zu limitieren“, so die Forscher. Es sei bekannt, dass Entzündungen eine bedeutsame Rolle bei vielen Krankheiten spielten. Yoga scheine ein einfacher und angenehmer Weg zu sein, wie sich die Risiken für Herzkrankheiten, Diabetes oder andere altersbedingten Erkrankungen reduzieren lassen.

Die Studie in „Psychosomatic Medicine“: „Stress, Inflammation, and Yoga Practice“ von Janice K. Kiecolt-Glaser et al.

 

Seit Jahren kämpft Walter Krämer gegen falsche Statistiken und kritisiert die Panikmache der Medien, die kleine Gefahren – wie erst kürzlich den Fleischkonsum – aufbauschen und dabei die großen vergessen. Wir fürchten uns vor dem Falschen, sagt der Statistiker und Ökonom. Wovor wir uns fürchten sollten, verrät er im Interview mit science.ORF.at.

Ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit: Ein WHO-Bericht kam zum Schluss, Fleisch und Wurst erhöhe das Risiko für Darmkrebs. Sie sagen, es gebe ein Missverhältnis zwischen Angst und wirklicher Gefahr. Aber im Fall der WHO war doch das Gegenteil der Fall. Die WHO war recht sachlich und bei den Wurstverfechtern ist Hysterie ausgebrochen?

Krämer: Ja, weil es ein ungerechtfertigter Angriff war. Da musste man sich wehren. Es beginnt damit, dass absolutes und relatives Risiko verwechselt wurde. Wenn die WHO meldet, dass Wurst das Risiko um 20 Prozent erhöht, dann denken die Leute: „Aha, da sterben 20 von hundert Menschen an Darmkrebs, weil sie Wurst gegessen haben.“ Das ist Blödsinn.

Wenn da so ist, können die Menschen aber offenbar nicht lesen? Dafür braucht man noch gar keine Statistik.

Das stimmt. Das Umgehen mit Prozenten ist keine große Stärke der Mitteleuropäer. Das sind die Deutschen und die Österreicher gleich schlecht.

Dann handelt es sich aber eigentlich um eine Bildungslücke?

Ja, mit Sicherheit. Es gibt Leute mit Abitur, die nicht Bruchrechnen können. Solche Leute sitzen dann in meinen Klausuren. Wenn sie „½ + ½“ rechnen, kommen sie auf „2/4“.

Die statistischen Defizite mal ausgeklammert. Konkret bedeutet die Erhöhung des Darmkrebsrisikos laut WHO: Statt sechs erkranken sieben Personen von hundert an Darmkrebs. Was sagen sie zur siebten?

Wenn wirklich die Wurst der Bösewicht war, hätte er besser keine Wurst gegessen. Ich vermute aber, man hat hier – wie so oft, das ist leider bei epidemiologischen Studien eher die Regel als die Ausnahme – gewisse weitere Hintergrundvariablen einfach vergessen.

Also in meinem persönlichen Umfeld sind die großen Wurstesser – die Kampfgriller, die auch im Winter ihre Bratwürste grillen – jene, die natürlich dabei auch gewaltig rauchen. Ich bin nicht sicher, wie Faktoren wie das Rauchen tatsächlich rausgerechnet worden sind. Das ist einer der häufigsten Fehler überhaupt bei diesen Studien: Man weiß nicht, was die wirkliche Ursache ist, und verwechselt Korrelation und Kausalität. Neun Zehntel aller epidemiologischen Studien sind „Schrott“.

Bis jetzt gibt es ja nur die zweiseitige Zusammenfassung in „Lancet“. Die habe ich natürlich gelesen. Die entscheidenden Fakten stehen dann erst in der noch nicht veröffentlichten Monographie. Aber ich habe das ja nicht zum ersten Mal gemacht. Ich bin seit 30 Jahren Statistiker und habe in meinem Leben um die 3.000 Studien gelesen, 2.500 davon waren „Schrott“, weil die Leute keine Ahnung haben, wie man alle möglicherweise erklärenden Variablen sinnvoll miterfasst. Wenn man nur eine davon vergisst – die wichtigste ist „Raucht der Mensch?“ -, ist die Studie vollkommen wertlos.

All diese Forscher machen also schlechte Wissenschaft?

Ich sage nicht, dass alle Scharlatane sind, aber es ist eben eine sehr schwierige Angelegenheit, die mit Fallstricken gespickt ist. Selbst der seriöseste Forscher oder die seriöseste Forscherin ist nicht gefeit davor. Die Zeitschrift „Science“ hat z.B. die wichtigsten Krebsmeldungen der letzten Jahre auf Wahrheitsgehalt abgeklopft und kam zum Schluss: Alle waren falsch. Keine einzige Studie konnte repliziert werden. Alle hatten etwas vergessen, wenn auch meist nicht mit Absicht.

Die WHO hat ja nicht mit Einzelstudien gearbeitet.

Nein, es war eine Metaanalyse. Da gehen bei mir erst recht alle Alarmglocken los. Wenn man aus vielen Einzelstudien ein Ganzes bastelt, hat man einen riesigen Spielraum, etwas wegzulassen bzw. einzubeziehen. Ich habe den bösen Verdacht, dass gewisse Leute von vorherein wissen, was sie gern hätten und dann alles weglassen, was ihnen nicht in den Kram passt.

Aus welchem Interesse?

In Österreich oder Deutschland ist das Interesse von Organisationen wie Foodwatch oder Global 2000 jedenfalls: Sie wollen Spenden einwerben. Die bekommen sie nur dann, wenn sie Leute beunruhigen. Deswegen wird die Panikmelodie gespielt.

Anderes Beispiel: das Pflanzenschutzmittel Glyphosat. Letzte Woche hat die EFSA empfohlen, den Wirkstoff erneut zuzulassen, obwohl ihn das Krebsforschungszentrum der WHO vor Kurzem als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft hat. War das auch reine Panikmache?

Der Punkt ist: Alles, was sie anfassen, ist in hohen Dosen Gift. „Die Dosis macht das Gift“ – sagte schon Paracelsus – übrigens meines Wissens die einzige naturwissenschaftliche Theorie, die 500 Jahre überdauert hat und heute noch unwidersprochen gilt. Anders gesagt: Jeder Stoff ist über einer gewissen Dosis giftig, unter einer gewissen Dosis aber ungiftig. Selbst an Trinkwasser können sie sich vergiften, da gibt es Fallbeispiele.

Also ist Glyphosat aus Ihrer Sicht unbedenklich?

Ich bin kein Toxikologe. Ich muss mich da auf Experten verlassen, z.B. auf den angesehensten Lebensmitteltoxikologen Bruce Ames weltweit. Der sagt, das 99,99 Prozent aller Schadstoffe und Gifte in unserer Ernährung von Natur aus drin sind, nur 0,01 Prozent werden durch die Bauern, die Verpackung, den Handel, etc. nachträglich hinzugefügt.

Unsere Medien stürzen sich mit Gusto auf die 0,01 Prozent und ignorieren den ganzen Rest. Wenn sie z.B. zwei Kilo ungeschälte Biokartoffel essen, überleben sie das nicht. Da ist haufenweise giftiges Solanin drin. Alle Pflanzen produzieren von Natur aus derartige Schädlingsbekämpfungsmittel. Diese Tatsache kann man den Leuten von den Umweltorganisationen einfach nicht beibringen. Weil die Natur ist ein schlechter Sündenbock.

Aber in der Regel werden die Studien doch von Wissenschaftlern gemacht?

Aber sie nehmen es mit den Fakten nicht so genau bzw. nehmen sie die Fakten einfach sehr selektiv wahr. Die allergrößte Selektion findet bei Risiken statt – je nachdem, ob sie natürlich oder künstlich sind. Natürliche Risiken werden systematisch ignoriert, auch wenn sie tausend Mal größer sind als die künstlichen.

Sie sind ja heute hier eingeladen von der IndustrieGruppe Pflanzenschutz. Das Thema Ihres Vortrags: Gibt es einen Konsens über zumutbares Risiko? Gibt es einen?

Die Crux ist, dass wir uns nicht einigen können, wie hoch die Risiken sind. Man kann sie nicht einfach messen, wie Wasserstand, Temperatur oder Luftdruck. Jeder versteht darunter etwas anderes, und Menschen schätzen Risiken systematisch katastrophal falsch ein.

Ein Beispiel?

In Deutschland gibt es jedes Mal, wenn ein Castor (Spezialbehälter zum Transport von radioaktivem Material, Anm.) transportiert wird, Riesenaufstände. Die Leute ketten sich an, beklagen sich über die Verstrahlung. Die gleichen Menschen fliegen, ohne zu murren, mehrfach jährlich nach New York und kriegen dabei ein Mehrfaches der maximalen Strahlenbelastung eines Castors ab. Aber da sie das freiwillig machen, interessiert es sie nicht. D.h., freiwillige und natürliche Risiken werden dramatisch runtergewichtet, unfreiwillige und künstliche werden dramatisch hochgewichtet.

Sie kritisieren ja gern aus einer unabhängigen Position. Haben Sie nicht Angst, wenn Sie von einer Interessenvertretung wie der IG Pflanzenschutz eingeladen sind, dass Sie für deren Interessen eingespannt werden?

Ich vermute, das geht eher anders herum. Meine Gastgeber haben vermutlich etwas von mir gelesen und sich gedacht: Endlich mal jemand, der die Wahrheit sagt, und darum haben sie mich eingeladen. Ich lasse mir das, was ich für wichtig halte, nicht vorschreiben.

Sie sind selbst Statistiker. Wozu brauchen wir diese überhaupt, wenn man uns meistens damit nur sinnlos Angst macht?

Angst machen kann man mit allem: mit Bildern, mit Texten. Statistiken kann man wie jedes andere Instrument sowohl ge- als auch missbrauchen.

Zu komplexeren Risiken: Meist wird nur berichtet, wenn der Mensch betroffen ist, wenn etwas beispielsweise potenziell krebserregend ist, wie beim Fleisch und beim Pflanzenschutz. Dabei ist Fleisch ja auch aus tierethischen oder ökologischen Gründen bedenklich, Ähnliches gilt beim Pflanzenschutz. Ist uns das alles egal, Hauptsache wir bekommen keinen Krebs??

Sie haben Recht. Beim Fleisch ist es so, dass das Preissystem nicht funktioniert: Fleisch ist zu billig. Wäre es teurer, würden die Menschen automatisch weniger essen. Solche Argumente überzeugen mich als Statistiker. Ich bin zudem Ökonom, also ein Effizienztier. Auch tierethische Gründe überzeugen mich, wenn man etwa Berichte über Hühnerhaltung sieht. Wenn jemand deswegen kein Fleisch ist, akzeptiere ich das. Aber nicht, wenn er sagt: Das erzeugt Krebs – das ist einfach falsch.

Übrigens kriegen Veganer und Vegetarier häufiger Krebs – das hat aber nichts mit ihrer Lebensführung zu tun, sondern liegt auch an der Statistik: Sie leben länger, weil sie in der Regel besser gebildet sind und ein höheres Einkommen haben. Das Älterwerden ist nämlich generell das höchste Krebsrisiko.

Was ist mit Risiken, die sich gar nicht kalkulieren lassen, Stichwort Terroranschläge. Auch nach Paris ist die Wahrscheinlichkeit, betroffen zu sein, sehr gering. Trotzdem haben die Menschen jetzt mehr Angst. Ist das nicht legitim?

Das ist ein weiteres Beispiel, wie die Angst vor etwas Konsequenzen hat, die dramatischer sind als das Risiko selbst. Das hat mein Kollege Gerd Gigerenzen mal für 9/11 ausgerechnet. Bei den Terroranschlägen sind zweieinhalbtausend Menschen umgebracht worden. Durch die Angst vor dem Terror sind aber 7.000 bis 8.000 Menschen gestorben. Warum? Die Amerikaner fliegen weniger und fahren stattdessen Auto. Seit den Anschlägen gibt es pro Monat ungefähr 200 zusätzliche tödliche Verkehrsunfälle.

Nochmal zu Paris: Ist es nicht trotzdem legitim, sich mehr zu fürchten?

Ich habe am Freitagabend noch beschlossen, im Dezember nach Paris zu fahren. Denn so sicher wie jetzt wird es nie wieder sein. So ist es immer direkt nach Anschlägen. Generell ist die Angst vor Terror völlig unbegründet. Fast zeitgleich mit Paris sind am Wochenende genauso viele Menschen auf den Autobahnen gestorben.

Für die Betroffenen ist es natürlich eine Tragödie maximalen Ausmaßes. Und natürlich sollte man das Maximale tun, um solche Tragödien zu verhindern, aber man soll die Maßstäbe nicht verlieren. Ich werde mein Verhalten auf keinen Fall ändern.

Wissen Sie wirklich alles besser, wie oft behauptet wird?

Dieses Prädikat habe ich mal von einem Ihrer Kollegen von der „Zeit“ angehängt bekommen. Ich glaube, es ist die falscheste Beschreibung überhaupt. Ich habe nie das Gefühl, dass ich die Wahrheit weiß. Mein größtes Vorbild in der Wissenschaft ist ein Wiener: Sir Karl Popper. Er hat immer gesagt: „Du kennst die Wahrheit nie. Wer das behauptet, ist ein Scharlatan.“ Man muss immer davon ausgehen, dass man doch nicht Recht hat – das ist meine Lebenseinstellung.

Sie behaupten, wir fürchten uns vor dem Falschen. Was wäre das Richtige?

Das Richtige wäre, sich vor Alkohol zu fürchten, vor Nikotin, vor dem Straßenverkehr, vor Leitern im Haushalt – jedes Jahr fallen etwa in Deutschland 4.000 Leute von der Leiter und brechen sich das Genick, und vor Wohnungsbränden. Wissen Sie, was die billigste Art und Weise wäre, in Deutschland wie in Österreich ein Menschenleben zu retten: Zwangsrauchmelder in allen Wohnräumen. Bei diesen großen Gefahren sollten die Medien anfangen, nicht bei den kleinen.

Interview: Eva Obermüller, science.ORF.at

Walter Krämer ist Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Technischen Universität Dortmund. Er hat zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher verfasst, unter anderem „So lügt man mit Statistik“, „Lexikon der populären Irrtümer“ und „Die Angst der Woche. Warum wir uns vor den falschen Dingen fürchten“. Im Rahmen einer Veranstaltung der IG Pflanzenschutz hielt er einen Vortrag ihn Wien. In seinen Ausführungen kritisiert er regelmäßig Medien, Mediziner und Umweltorganisationen.

 

Der Medizin-Nobelpreisträger Thomas Südhof warnt vor zu viel Stress durch Smartphones und Überstunden. „Es wundert mich nicht, dass viele Menschen an Burnout erkranken, wenn man sich anschaut, wie wir heute leben“, sagte der 59-jährige Hirnforscher von der Universität Stanford. Er rät: Einfach mal abschalten.

Ein Grund seien die vielen Smartphones: „Wir sind nie mehr unerreichbar, nie außer Dienst. Per Mail stehen wir quasi minütlich im Kontakt zu unserer Arbeit. Das kann auf Dauer nicht gut sein.“ Das führe häufig zu chronischem Stress, der den Menschen und sein Gehirn verändere.

Eine erfolgreiche Therapie kenne er nicht, sagt der gebürtige Göttinger, es erscheine aber am sinnvollsten, den Lebensstil zu ändern. „Immer hängen wir an den Smartphones, haben sie überall dabei. Schauen sie, meins steckt hier in der Brusttasche, obwohl ich es doch heute auf dem Kongress hier gar nicht brauche.“ Er rät zu gezielten Auszeiten. „Das sagt uns unser gesunder Menschenverstand.“ Alles, was den Geist ablenke, helfe. „Das kann Sport sein, Yoga, ein gutes Buch oder Musik.“ Eltern empfiehlt der siebenfache Vater, den Medienkonsum ihrer Kinder zu überwachen: „Eine zeitliche Begrenzung ist notwendig.“

Das gelte für alle Medien. „Multimediale Berieselung, ob am Fernseher, iPad oder iPhone, ist keine Abkoppelung vom Alltag, sondern eine schlechte Gewohnheit. Zu lange zu arbeiten ist übrigens eine andere“, betont Südhof. In seinem Labor in Stanford habe er 40 Mitarbeiter. „Die leben zum Teil im Labor. Die muss ich stoppen, regelrecht nach Hause schicken. Wenn man acht Stunden oder zehn produktiv gearbeitet hat, ist die elfte nicht mehr produktiv.“ Dann leide die Qualität.

Eine überbordende Arbeitsmenge sei ein Risikofaktor für Burnout, es gebe aber weitere wie wenig Anerkennung, ein Mangel an Teamgefühl und Existenzängste. „Aber im Gehirn muss zusätzlich etwas schieflaufen, so dass der Mensch mit den Belastungen nicht mehr umgehen kann.“

Südhof untersucht, wie Hirnzellen untereinander kommunizieren und was etwa bei einem Burnout geschieht. Der Anruf des Nobelkomitees erreichte ihn 2013 auf der Autofahrt zu einem Kongress – offensichtlich über ein Handy. Er versichert jedoch: „Ich selbst schalte um 20 Uhr alle elektronischen Geräte aus und erst nach dem Frühstück wieder an.“

Auch bereits jeder vierte junge Mensch im Alter von 8 bis 14 Jahren fühlt sich durch die häufigen Handy-Nachrichten über WhatsApp und andere Dienste gestresst. Jeder zweite lässt sich vom Smartphone ablenken, etwa bei den Hausaufgaben. Das ergab eine repräsentative Studie im Auftrag der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen unter 500 Kindern und Jugendlichen. Andererseits sind diese schnell von ihren Gruppen ausgeschlossen, wenn sie kein Smartphone haben.

Die Polizei Düsseldorf und der Deutsche Verkehrssicherheitsrat warnten kürzlich vor Handys am Steuer: 14 Meter fahre ein Auto bei Tempo 50 pro Sekunde – das entspricht einem kurzen Blick auf das Smartphone.

 

 

Denn die indische Bewegungslehre kann Körper, Geist und Seele gleichermaßen heilen.

Yoga hat sich längst zum Dauerbrenner unter den populären Sportarten entwickelt. Das „American College of Sports Medicine“ hat das meditative Training auch heuer wieder auf die Top-10-Liste der Trendsportarten gesetzt.

In Amerika sind es mehr als 20 Millionen Menschen, die regelmäßig den herabschauenden Hund und andere Yoga-Positionen praktizieren. In Deutschland sind es knapp drei Millionen, in Österreich immerhin 350.000. Tendenz steigend. Aber warum fasziniert Yoga so viele Menschen? Erstens weil es den Übenden spürbar gut tut. Und zweitens, weil die positiven Auswirkungen von Yoga wissenschaftlich belegt sind.

„Wer Yoga übt, entfernt das Unkraut aus dem Körper, so dass der Garten wachsen kann“, erklärte der weltweit bekannte indische Yoga-Guru B. K. S. Iyengar (1918-2014) diesen Effekt. Sein Yoga-Stil stellt die besonders präzise Ausführung von Körperhaltungen in den Fokus. „Yoga heilt mich“, bestätigt auch Pop-Queen Lady Gaga. Sie setzt wie viele andere Stars auf Bikram-Yoga, das in bis zu 40 Grad heißen Räumen praktiziert wird. Aber ganz egal, welches Yoga man macht, es geht um die Kunst, den Atem fließen zu lassen, die Bewegungen zu spüren und dabei letztlich die Muskeln zu entspannen.

Andreas Goldammer, Arzt für Allgemeinmedizin und Osteopath in Wien mit Zusatz-Ausbildung als Yoga-Lehrer: „Es fühlt sich sehr gut an, wenn ein lebensphilosophisches Konzept wie Yoga boomt. Weil es nicht um die rein körperliche Fitness geht, sondern um gesunde Ernährung, Stressmanagement, Gelassenheit und Meditation, aber auch Gewaltfreiheit und ethisches Handeln.“ Mediziner Goldammer weiß sogar von der positiven Wirkung von Yoga bei Bandscheibenpatienten zu berichten – allerdings mit Vorbehalt: „In solchen Fällen darf Yoga nur von medizinischen und therapeutisch versierten Fachpersonen vermittelt werden. Dabei geht es um einfache und nicht überfordernde Übungen, die den betroffenen Bereich stabilisieren und kräftigen.“ Warum Yoga hier hilft?  „Man schätzt, dass zwei Drittel aller Patienten mit Bandscheibenvorfällen auch an wesentlichen Stressfaktoren leiden, die dazu führen, dass sich die Halte- und Stützmuskulatur des Rückens in einer chronischen Dauerspannung befinden“, so Goldammer. Gerade hier setze Yoga an, weil es das Potenzial hat, das vegetative Nervensystem zu beruhigen, die Muskeln zu entspannen, den Rücken wieder besser wahrzunehmen und Stresssituationen leichter zu managen. „Es geht um die nachhaltige Veränderung von Verhaltensmustern, die erst zu dieser Situation geführt haben“, erklärt der Mediziner.

Viele Menschen glauben, sie machen Yoga, dabei machen sie nur Gymnastik. So lautet auch eine der Hauptthesen von Rixa Regina Kroehl, Yoga-Trainerin, Wissenschaftlerin und Hochschuldozentin, in ihrem Buch „Das ist Yoga“ (Südverlag). Die permanente Achtsamkeit auf Atem und Bewegungen mache den Unterschied. „Richten Sie sich auf – auch im Sitzen! Atmen Sie tief ein, setzen Sie das innere Lächeln auf und nehmen Sie die Schulterblätter nach hinten unten – wie fühlen Sie sich? Spüren Sie den Unterschied? Er muss nicht groß sein: es ist der kleine Unterschied, der den großen Unterschied macht.“ Dieser Unterschied, diese Aufmerksamkeit, lässt einen auch rechtzeitig spüren, wenn eine Dehnung zu  stark ist, bevor die Übung schmerzt. Yoga-Lehrerin Wogrolly: „Es kann natürlich auch passieren, dass jemand regelmäßig Yoga übt, und trotzdem tut ihm alles weh. Das darf nicht sein, sollte dann auch von einem Arzt abgeklärt werden. Nach Jahren der Erfahrung, weiß man heute viel darüber, wie verletzungsfrei praktiziert und unterrichtet werden kann.“ Dazu brauche es aber die permanente Weiterbildung der Lehrenden. Gerade der therapeutische Zugang ist hier essenziell.

Aber was tun, wenn jemand mit Schmerzen im Knie, dem Rücken etc. in den Kurs kommt? Das Wichtigste ist, dass der Yoga-Lehrer die Schüler ermuntert, ihn darüber zu informieren – damit Ersatzübungen angeboten werden können. Mediziner Andreas Goldammer geht sogar noch einen Schritt weiter: „Yoga-Lehrer erwerben in der Regel nur wenig Wissen im Umgang mit Menschen, die aufgrund von Alter, Fehlhaltung oder Schmerzen besondere Behandlung benötigen.“  Er selbst versucht mit seiner Tätigkeit als Dozent bei Aus- und Weiterbildungen Yoga-Lehrern  den Blick  im Falle von Beschwerden  zu schärfen. Die Yoga-Lehrer-Ausbildung würde zwar Basiswissen aus Anatomie und Physiologie beinhalten, jedoch gebe es kein allgemeingültiges Regelwerk, welches Mindeststandards festlegt.

Tipps für Anfänger

  1. Wer eher Ruhe und Entspannung oder einen moderaten Beginn sucht, kann es mit sanftem Yoga, etwa Yin Yoga,  oder Grundlagen des Hatha Yoga, versuchen. Wer lieber zu einer dynamischeren Variante tendiert, wählt Vinyasa bzw. Ashtanga.  Welcher Yoga-Stil geeignet ist, kann nur jeder für sich selbst herausfinden. Am besten  unterschiedliche Kurse und Lehrer ausprobieren.
  1. Am Anfang steht oft Unsicherheit. Ist man beweglich genug? Kann man wirklich etwas mit Yoga anfangen? Kleinere Gruppen oder ein Einzeltraining können einem hier die Angst nehmen.  Fast jedes Studio bietet dies an (ca. 60 bis 100 €, je nach Einheit).
  1. Die  Ausbildung der Yoga-Lehrer ist wichtig. Hier gibt es große Unterschiede. Während des Übens darauf achten, ob der Lehrer so korrigiert, dass sich eine Haltung besser anfühlt.  Und ermuntert er, den Atem zu beobachten und den Körper samt seiner Grenzen bei den Übungen wahrzunehmen?
  1. Vor allem für Anfänger gilt,   nicht zu sehr in Positionen hineindehnen. Einen leichten Zug darf man spüren, aber keinesfalls Schmerzen. Lieber erst einmal bewusst  unterfordern. Es muss sich ein Gefühl für die Übungen entwickeln können.
  1. Yoga heißt verbinden – und zwar Körper Geist und Seele. Ein schöner Körper ist willkommenes Nebenprodukt.
  1. Kein falscher Ehrgeiz – es geht nicht darum, mit den Händen die Zehen greifen zu können. Sondern es geht darum, sich auf die Bewegung, den Atem und das Loslassen in den Körperhaltungen (Asanas) zu konzentrieren. Der Matten-Nachbar bringt aber sogar den linken Fuß hinters rechte Ohr? Das ist nicht das Ziel. Wirklich nicht!