Der Hektik des Alltags entkommen und Körper und Seele durch Meditation Gutes tun: Studien haben gezeigt, dass sich dann zahlreiche Körperfunktionen verbessern, etwa Herzschlag und Atmung langsamer wird und weniger Stresshormone ausgeschüttet werden.
Als der Psychiater und Neurowissenschafter Richard Davidson 1992 den Dalai Lama traf, kam er auf eine Idee. Mit Kernspin oder Elektroenzephalogramm, mit denen er sonst das Hirn bei Menschen mit Angstattacken oder Depressionen untersuchte, könnte man doch auch schauen, was sich im Hirn von Gesunden verändert. Vielleicht würde man so herausfinden, was den einen glücklich und gesund macht und wie sich das in der Therapie von Krankheiten einsetzen ließe. Davidson gründete das Center for Investigating Healthy Minds an der Uni Wisconsin und startete seine Untersuchungen – unterstützt vom Dalai Lama, der ihm Kontakte zu buddhistischen Mönchen vermittelte.
Fasziniert sah Davidson in der Kernspintomografie, dass beim Meditieren Nervenzellen in bestimmten Hirnregionen weniger aktiv waren, und zwar umso mehr, je erfahrener die Mönche im Meditieren waren (Proceedings of the National Academy of Sciences 2007). Meditieren ändert Strukturen im Kopf. Das Gehirn lasse sich wie ein Muskel trainieren, schloss der Neurowissenschafter.
„Meditation kann bei vielen psychiatrischen und körperlichen Krankheiten helfen“, so der Psychiater Alberto Chiesa von der Uni Bologna. Andreas Remmel, Primarius des Psychosomatischen Zentrums in Eggenburg, rät Patienten mit Depressionen, Angstattacken oder chronischen Schmerzen zu Meditation. „Das Wichtigste für Betroffene ist, sich von Beschwerden nicht beherrschen zu lassen.“ Studien geben ihm recht: Bei Patienten, die immer wieder unter Phasen von Depressionen litten, traten die Schübe seltener auf, wenn sie zusätzlich zu Medikamenten und Psychotherapie meditierten (Journal of Consulting and Clinical Psychology 2000; Band 68, S. 615). Bei Angststörungen oder Panikattacken konnte Meditation die Symptome besser lindern als Verhaltenstherapie oder Medikamente.
Bei Rückenschmerzen haben Forscher vom Institut für Komplementäre Medizin der Uni Düsseldorf gezeigt, dass sich die Beschwerden mit Meditation zumindest kurzfristig lindern lassen (BMC Complementary and Alternative Medicine 2012, Band 12, S. 162). Bei Patienten mit chronischen Muskel- und Gliederschmerzen, wie etwa Fibromyalgie, besserten sich Stimmung und Lebensqualität. Bei vielen hielten die Effekte noch nach drei Jahren an. Auch Patienten mit Rheuma fühlten sich nach Meditation wohler als nach Verhaltenstherapie, vor allem bei denjenigen mit zusätzlich schwerer Depression besserten sich auch die Schmerzen.
Eine Art Neustart
Bei Arthrose scheint Meditation dagegen eher nicht zu helfen. Menschen mit Krebs leiden nicht nur unter Schmerzen, sondern häufig auch unter Depression und Angst. Bei Bluthochdruck sank der Druck durch Meditation ähnlich wie durch körperliches Training. Bei Mädchen mit Essstörungen besserte sich das Essverhalten, und sogar bei Schuppenflechte, multipler Sklerose und HIV hatte Meditation Effekte.
„Meditieren ist, als drücke man beim Computer die Reset-Taste“, sagt Andreas Michalsen, Professor für Naturheilkunde am Uniklinikum Charité in Berlin. Die Einstellung zum Leben ändert sich, der Geist wird „heruntergefahren“. Dabei sei es nicht so wichtig, welche der Meditationstechniken man anwende. „Hauptsache regelmäßig.“ Studien haben nämlich gezeigt, dass sich dann zahlreiche Körperfunktionen verbessern, etwa Herzschlag und Atmung langsamer und weniger Stresshormone ausgeschüttet werden. Und nicht nur die Aktivität der Nervenzellen ändert sich, sondern auch die graue Substanz, also die Nervenzellen im Gehirn, nimmt in bestimmten Regionen zu.
Ideal zum Einstieg findet Psychosomatiker Remmel die aufmerksamkeitsfokussierende Meditation. Dabei konzentriert man sich auf den Atem oder einen realen Gegenstand wie eine Kerze. Beim „Meditieren für Fortgeschrittene“, der Einsichts-Meditation, konzentriert man sich oft auch zunächst auf ein Objekt. Kommen dann andere Gedanken oder Gefühle wie Trauer, Schmerz oder Freude, schiebt man sie aber nicht beiseite, sondern betrachtet sie wie durch eine Kamera: Detailliert, aber distanziert. „Das ist wie vom Strand aus den Wellen zuschauen, aber selbst nicht darin versinken“, erklärt Remmel. Spürt ein Schmerzpatient eine „Schmerzwelle“ auf sich zukommen, kann er sie sich bewusst machen: Die Welle kommt, aber sie wird auch wieder gehen. Der dritte Schritt: sich und dem eigenen Leiden mit Wohlwollen begegnen. Das heißt: den Schmerz akzeptieren, wissen, das er vorübergehend und nicht lebensbestimmend ist.
Skepsis sei aber angebracht, sagt Michalsen von der Berliner Charité, etwa bei Studien, die Effekte mit Nichtmeditierenden vergleichen und nicht mit der Standardtherapie. In so einer Vergleichsstudie fand Remmel heraus, dass sich Angst, Depressionen und psychosomatische Probleme genauso durch Musik- oder Bewegungstherapie beeinflussen lassen. Nun will er herausfinden, wer von welcher Behandlung am meisten profitiert. „Meditation kann eine gute Ergänzung sein“, sagt Michalsen. Harmlos sei sie aber nicht, denn bei akut psychiatrischen Krankheiten könne sich der Zustand von Patienten auch verschlechtern.
Neben der medikamentösen gewinnen auch alternative Therapien, wie Meditation, progressive Muskelentspannung, Achtsamkeitstraining oder Yoga, in der Behandlung von Bluthochdruck an Bedeutung – Studien zeigen, wie effizient gesünderes Leben ist
Österreichische Bluthochdruckpatienten sind gewissenhaft: Laut einer Umfrage des Fessel-Instituts in Wien unter 4.000 Patienten lesen 61 Prozent den Beipackzettel ihrer Medikamente. Jeder Dritte ist daraufhin so beunruhigt, dass er die Tabletten nicht nimmt. Von Herzstolpern ist die Rede, kalten Händen und Füßen, Übelkeit, Verstopfung, depressiven Verstimmungen. Deshalb informieren sich viele über alternative Methoden, den Blutdruck zu senken. „Man kann damit tatsächlich den Blutdruck senken“, sagt Andreas Michalsen, Chefarzt der Abteilung Naturheilkunde im Immanuel Krankenhaus in Berlin und Professor für Naturheilkunde an der Charité. „Bei leichtem Bluthochdruck kann man damit oft Medikamente vermeiden.“
Für den Internisten gehört auch eine Änderung des Lebensstils zu Alternativmedizin. Mindestens 30 Minuten an fünf bis sieben Tagen der Woche spazieren zu gehen, zu schwimmen, Rad zu fahren oder zu joggen, empfiehlt die Europäische Leitlinie zur Behandlung von Bluthochdruck. So ein aerobes Ausdauertraining kann den oberen Blutdruckwert um 6,9 Millimeter Quecksilbersäule (mmHg) senken. Medikamente drücken den Wert um 8 bis 10 mmHg. In der Leitlinie wird empfohlen, mit dem Rauchen aufzuhören und Übergewicht zu reduzieren. „Je mehr, desto besser – jedes Kilo weniger senkt den oberen Druckwert um 2 mmHg“, sagt Thomas Lüscher, Chef-Kardiologe an der Uni-Klinik Zürich.
Gut belegt ist auch der positive Effekt einer mediterranen Ernährung mit viel Gemüse und Obst, Olivenöl statt tierischer Fette, kaum Fleisch und mäßig Alkohol. „Man muss nicht wie ein Mönch leben“, sagt Michalsen, „aber wenn man gestresst ist, ungesund isst und wenig Sport treibt, sind die Gefäße am Limit.“ Schlanke Leute, die regelmäßig Sport treiben, bräuchten beim Essen weniger vorsichtig sein, denn ihre Gefäße seien gesünder.
Essen, das guttut
„Am besten wäre vegetarische Ernährung“, sagt Michalsen, der selbst seit Jahren kein Fleisch mehr isst. „Das senkt nicht nur den Blutdruck, sondern schützt auch die Niere vor möglichen Schäden.“ Die gute Nachricht für Bluthochdruckpatienten: Schokolade braucht man sich nicht zu verkneifen, der vor allem in dunkler Schokolade enthaltene Inhaltsstoff Epicatechin senkt den Druck. Schokolade in Maßen ist bei Bluthochdruck also durchaus erlaubt, andere blutdrucksenkende Nahrungsmittel sind Hibiskus- und Grüntee, Roter-Rüben-Saft, Soja-Nahrungsergänzungsmittel oder Olivenblätterextrakt.
Wer zusätzlich zum Grünzeug aktiv werden will, kann es mit Akupunktur oder Entspannungstechniken versuchen, etwa Meditation, progressive Muskelentspannung, Achtsamkeitstraining oder Yoga. „Dazu haben wir jetzt einige gute Ergebnisse“, sagt Michalsen. Der Naturmediziner erforscht noch diverse andere alternative Behandlungen. Günstige Effekte hatten bei manchen seiner Patienten auch Aderlässe, eine Therapie mit UV-B-Strahlen und Vitamin D, Kneipp-Kuren, Sauna und Fasten.
Keine Langzeitstudien
Nicht geklärt ist bisher, wie lange der blutdrucksenkende Effekt anhält. „Eine wirksame Therapie sollte den Druck nicht nur zu einem beliebigen Zeitpunkt senken, sondern auch langfristig Komplikationen vermeiden“, sagt Michael Wolzt von der Bluthochdruck-Ambulanz am AKH Wien.
Bei Medikamenten sei dies klar nachgewiesen. „Aber bei der Naturheilkunde haben wir keine Langzeitstudien mit solchen Ergebnissen.“ Leider gäbe es für solche Untersuchungen keine Milliarden an Forschungsgeldern, wie sie die Pharmaindustrie für Arzneimittelstudien bereitstellt, verteidigt sich Michalsen, sodass die Forschung nur schleppend vorangehe. „Bei Medikamenten wussten wir am Anfang auch nur, dass sie den Druck senken können – erst später zeigten die großen Studien, dass man damit das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall senken kann.“ Michalsen vermutet, dass es sich auch bei naturheilkundlichen Verfahren ähnlich verhält. „Wenn sie den Druck senken können, können sie auch Komplikationen vermeiden.“
Therapietreu sein
Abgesehen von der Änderung des Lebensstils solle man sämtliche alternativen Methoden allerdings ergänzend und dann nur in Absprache mit dem Arzt versuchen, rät der Kardiologe Lüscher. „Bei den Medikamenten kennen wir Wirkungen und Nebenwirkungen im Gegensatz zur Naturheilkunde genau. Voraussetzung ist allerdings, dass der Patient die blutdrucksenkenden Tabletten auch wirklich einnimmt.“
Körperstress
Bei einem von zehn Patienten entsteht Bluthochdruck als Folge einer Krankheit, etwa an Nieren oder Nebennieren, als Nebenwirkung von Medikamenten oder durch Drogen wie Amphetamin und Kokain. Hier wird Bluthochdruck als sekundäre Hypertonie bezeichnet.
In all jenen Fällen, bei denen Mediziner keine direkte Ursache finden, lautet die Diagnose primäre Hypertonie. Sie entsteht durch genetische Faktoren und/oder Lebensstil. Es gibt kein einzelnes „Hochdruck-Gen“, vermutlich führen Veränderungen an einer Reihe von Genen dazu, dass der Körper empfindlich auf Kochsalz, Stress oder andere Faktoren reagiert und den Blutdruck nicht mehr optimal regulieren kann. Der Körper von Hypertonikern scheidet weniger Salz aus, bindet damit mehr Wasser. Das führt zu mehr Flüssigkeit in den Blutgefäßen, das Herz muss gegen das größere Volumen mit mehr Druck anpumpen.
Im Alter werden zudem die Blutgefäße steifer, sodass der Druck dann noch mehr steigt. Bei Übergewicht reagiert der Körper nicht mehr so empfindlich auf Insulin und stellt deshalb mehr davon her. Insulin hält ebenfalls Salz und Wasser zurück. Außerdem wird bei
Übergewichtigen und Diabetikern in den Blutgefäßen zu wenig Stickstoffmonoxid hergestellt, was bei Gesunden gefäßerweiternd wirkt. Stress, Rauchen und Alkohol verstärken diesen Effekt noch.
Mit zunehmendem Alter lassen unsere Hirnfunktion und kognitiven Fähigkeiten nach. Ein internationales Forscherteam der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), der Charité in Berlin und verschiedener US-amerikanischer Universitäten berichtet, dass Yoga und Meditation negative Effekte von Alterung auf Intelligenz und Gehirn verringern können.
Mit zunehmendem Alter lassen unsere Hirnfunktion und kognitiven Fähigkeiten nach. Dazu gehört auch die sogenannte fluide Intelligenz, die für das Lösen neuartiger Aufgaben benötigt wird und mit dem Alter abnimmt. Ein Team von Forschern der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), der Charité in Berlin und verschiedener US-amerikanischer Universitäten hat nun herausgefunden, dass die fluide Intelligenz bei erfahrenen Yoga-Praktizierenden und Meditierenden weniger schnell abnimmt als bei Personen ohne diese Praxis, aber mit gleicher Bildung und einem vergleichbar gesunden Lebensstil.
Wie die Wissenschaftler aktuell in der Fachzeitschrift „Frontiers in Aging Neuroscience“ berichten, untersuchten sie mit einer neuartigen Methode, wie der Informationsfluss zwischen den unterschiedlichen Hirnregionen organisiert ist. Dazu wurde die Hirnaktivität von 16 Yoga-Übenden, 16 Meditierenden und 15 Kontrollprobandinnen und -probanden mittels funktioneller Magnetresonanztomographie während des Ruhezustands gemessen. Anschließend wurde der Informationsfluss zwischen 116 Hirnregionen analysiert.
Effizienter und widerstandsfähiger
Das Ergebnis: Meditierende und Yoga-Übende hatten insgesamt einen effizienteren Informationsfluss als die Kontrollgruppe. Bei ihnen wurden die Informationen zwischen verschiedenen Hirnregionen besser verarbeitet und eingeordnet. Diese Entdeckung passe zu der Tatsache, dass jüngere und intelligentere Menschen Hirnnetzwerke haben, in denen die verschiedenen Informationen besser integriert werden, so die Forscher.
Des Weiteren zeigte sich, dass die Hirnnetzwerke der Meditierenden und Yoga-Übenden eine größere Widerstandsfähigkeit gegenüber simulierten Schädigungen hatten: Selbst wenn die wichtigsten Hirnregionen aus der Analyse ausgeschlossen wurden, war der Informationsfluss im verbleibenden Netzwerk immer noch effizient.
Diese Befunde würden darauf hinweisen, dass Yoga und Meditation die negativen Effekte von Alterung auf Intelligenz und Gehirn verringern könnten, sagt Tim Gard vom Bender Institute of Neuroimaging der JLU: „Es ist faszinierend, dass Yoga und Meditation uns vielleicht dabei helfen können, intelligent zu bleiben und unser Gehirn jung und effizient zu halten.“
Abstract
In den letzten zehn Jahren hat sich der Ansatz der achtsamkeitsbasierten Psychotherapie in der Behandlung von Depressionen bewährt. Immer gehe es darum, seinen Körper wahrzunehmen, seine Aufmerksamkeit zu lenken, nicht auf die Vergangenheit, nicht auf die Zukunft, sondern auf den einen Moment, der jetzt gerade stattfindet.
Wer zusammengesunken sitzt wie ein Depressiver, verfällt auch leichter in negative Stimmung, wer aufrecht geht, kann sich besser positive Dinge merken – das Wechselspiel Körper und Seele zeigt sich auch in unserer Körperhaltung.
Keine Bewertungen
„Es geht nicht um eine Bewertung, sondern darum, genau von Bewertungen wegzukommen, sie loszulassen. Depressive verfallen ja immer wieder in diese Grübelprozesse und versinken geradezu darin“, sagt Psychotherapeut Johannes Michalak von der Uni Witten/Herdecke.
Die Therapie fängt immer mit einem Element aus der Meditation an. Man liegt auf dem Boden und richtet seine Aufmerksamkeit zuerst auf die Zehen. Dann lässt man sie durch den ganzen Körper wandern. Oder man sitzt und richtet seine Aufmerksamkeit auf die Atmung und immer, wenn man mit seiner Aufmerksamkeit abschweift, kehrt man wieder geduldig zur Atmung zurück, so Michalek.
Diese fokussierte Achtsamkeit könne helfen, das beginnende Abdriften zu negativen Gedanken deutlich wahrzunehmen und sich durch das Ausrichten der Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt wieder davon zu lösen, so der Psychotherapeut.
Verändertes Gangbild
Wie Körper und Seele zusammenhängen, erforscht Michalak auch grundlegend. Mit einem Kollegen aus Kanada filmt er mit Infrarot-Kameras etwa Gangmuster. „Wir haben uns für die Bewegungsmuster von Depressiven interessiert und diese mit einer komplexen Technologie analysiert“, so Michalak.
In einer Nachfolgestudie haben die Forscher dann über technische Feedbacksysteme Studierende mit Hilfe dieser Daten dazu gebracht, entweder fröhlicher oder depressiver als normal zu gehen. Die Ergebnisse: Wer mit hängenden Schultern dahinschlurft, wird sich bei einem unangekündigten Test der Merkfähigkeit eher an negative Dinge erinnern, wer fröhlich läuft, kann sich eher positive Dinge merken.
Auch bei Menschen, die in einem Krankenhaus wegen ihrer akuten Depression behandelt wurden, ergab eine Studie ein ähnliches Bild: Wer zusammengesackt sitzt, kann sich bei einem Gedächtnistest eher die negativen Worte merken, wer aufrecht sitzt, mehr positive.
Direkte Rückkopplung
„Wir möchten in einer neuen Studie die Gangart von depressiv erkrankten Menschen durch Schulungen und Rückkopplungen mithilfe elektronischer Geräte verändern, damit sie lernen, nicht depressiv zu gehen – und sehen, ob das dann langfristig auch ihre Depressionen lindern kann.“
Jedenfalls gehen die Forscher von der Annahme aus, dass Körperhaltung und seelisches Befinden sich direkt und in beide Richtungen beeinflussen. „Das ist ein bisschen so wie mit Henne und Ei – schwer zu sagen, was eher da war.“
Meditation schützt Patienten vor einem Rückfall in eine Depression so gut wie herkömmliche Medikamente. Zu diesem Schluss kommt eine groß angelegte Vergleichsstudie mit 424 Teilnehmern, die im britischen Fachmagazin The Lancet veröffentlicht wurde.
Während des zweijährigen Versuchs bekam die eine Hälfte der Probanden, die in der Vergangenheit unter Depressionen gelitten hatten, Antidepressiva. Die andere Hälfte wurde mit der sogenannten Achtsamkeitsbasierten Kognitiven Therapie behandelt, die nach ihrer englischen Bezeichnung Mindfulness-Based Cognitive Therapy MBCT abgekürzt wird.
Vergleich mit Medikamenten
Dabei werden Patienten darin geschult, negative Gedanken und Gefühle zu erkennen, zu akzeptieren und mit ihnen umzugehen, anstatt in neue Depressionen abzugleiten. Bei dem Versuch nahmen die Teilnehmer in Großbritannien an acht Gruppensitzungen teil und mussten zudem jeden Tag Übungen zu Hause machen. Außerdem wurden in den folgenden Monaten vier weitere Sitzungen angeboten. Über zwei Jahre wurden alle Versuchsteilnehmer regelmäßig befragt, um ihren Gemütszustand zu erfahren.
Der Studie zufolge gab es bei den Patienten, die sich der meditativen Therapie unterzogen hatten, eine Rückfallrate von 44 Prozent. Bei den mit Antidepressiva behandelten Versuchsteilnehmern lag die Rückfallrate bei 47 Prozent.
Die Therapie sei eine „neue Alternative für Millionen von Menschen“, erklärte Studienleiter Willem Kuyken von der Universität Oxford. Seinen Angaben zufolge werden ohne jede Behandlung vier von fünf Depressions-Patienten rückfällig.
Neue Wege bei Depression
Der Psychologe Roger Mulder von der Otago-Universität im neuseeländischen Christchurch erklärte in einem unabhängigen Kommentar zu der Studie, die Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie sei eine „wirksame Alternative“ für Patienten, die Antidepressiva nicht vertragen. Antidepressiva können Nebenwirkungen wie Schlaflosigkeit und Verstopfungen haben. „Wir haben eine vielversprechende neue Behandlungsmethode, die relativ günstig ist und bei einem großen Teil der Menschen mit Depressions-Risiko angewandt werden kann“, schrieb Mulder. (APA, derStandard.at, 22.4.2015)
Originalstudie:
Cognitive behavioural therapy for treatmentresistant depression
Mehr Leben, weniger Arbeit: ein guter Ansatz für Bewusstheit im Umgang mit Belastung. Wäre da nicht der Zwang, immer das Sinnvollste zu tun. Gesundes Arbeiten ist Gegenstand der unternehmerischen Güte geworden.
Zukunftsforscher Matthias Horx denkt nach über die Frage, was nach der Ära des Burnout kommt. Dabei tut er das, was andere sonst mit ihm machen, wenn er die Zukunft anhand von Megatrends extrapoliert, Begrifflichkeiten und Kunstworte zusammenbastelt: Er macht sich lustig: Was solle bei sinkenden Burnout-Diagnosen bloß aus den Talkshows werden, in denen nervlich zerrüttete, von Prekarisierung gefolterte Zombies des Spätkapitalismus diskutieren, fragt er in einem Blog. Und weiter: „Allerdings ist durchaus ein Ersatz für diese Modekrankheit, die gleichzeitig eine Art modernes Adelsprädikat darstellt, in Sicht.“
Psychische Erkrankungen sind Hauptursache für Arbeitsunfähigkeit in der Gruppe der 15- bis 50-Jährigen. Die neue Modekrankheit? Sinnstress heißt der Begriff, den der Soziologe Heinz Bude rund um sein Buch Gesellschaft der Angst in die Debatte gebracht hat und den Horx zynisch zerpflückt. Kurz: Gescheitert ist, wer sich nicht dauernd selbst optimiert, wer nicht alles, was passiert, zu sich selbst in Verbindung und Resonanz setzt, wer nicht dauernd ein Stückchen glücklicher ist als die anderen, der hat wohl den Sinn nicht erfasst. Besonders die sogenannte Generation Y sei davon betroffen, aber auch die 35- bis 40-Jährigen hätten ihren eigenen Sinnstress, weil die Erkenntnis da sei, dass ein rein von außen bestimmtes Leben inmitten schier unbegrenzter Möglichkeiten und Machbarkeiten im Versuch des Erfüllens von Erwartungen und Erwartungserwartungen nicht zu einem nachhaltigen Sinnerleben führt. Wenn das Leben als ein einziges vielstöckiges Kaufhaus gesehen wird, dann ergibt sich irgendwann auch einmal die Notwendigkeit zu wählen. Und irgendwann drängt sich die Reise ins Innen auf, weil es nur im Außen nicht mehr geht. Kein Wunder, dass hinter all den gängigen Hilfsangeboten zum „Selbstmanagement“ gegen Erschöpfung, Burnout und Nichtmehrkönnen alte Weisheiten wieder zur Geltung kommen: „Erkenne dich selbst, lerne dich zu spüren und, lerne loszulassen“ steht hinter den Achtsamkeitstrainings, hinter der vor allem in Großkonzernen derzeit recht populär gewordenen Mindfulness-based Stress-Reduction, hinter Meditationsseminaren und Resilienztrainings.
Immer mehr Konzerne bieten Kurse zur Stressreduktion an. Was psychische Erkrankung Österreich kostet Ist damit eine Trendwende von der Wirklichkeit des Sich-krank-Arbeitens hin zu mehr balanciertem Leben in den entwickelten Nationen geschafft? Die Entwicklung in den Statistiken zeugt eher vom Gegenteil: Europaweit beziffert die OECD die direkten (im Gesundheitssystem) und die indirekten Ausgaben (steigende Sozialleistungen) mit rund 3,6 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP). Für Österreich errechnet die Organisation einen volkswirtschaftlichen Schaden von fast zwölf Milliarden Euro im Jahr. Sinkende Leistungsfähigkeit ist da noch nicht eingerechnet. Aber so weit bekannt: Krankenstände wegen psychischer Krankheit dauern im Schnitt 36 Tage, solche wegen körperlicher Erkrankungen rund 13 Tage. Psychische Erkrankungen sind Hauptursache für Arbeitsunfähigkeit in der Gruppe der 15- bis 50-Jährigen, und mittlerweile geht in Österreich mehr als die Hälfte der angestellten Frauen frühzeitig wegen psychischer Erkrankung in Pension. 900.000 Österreicher nehmen das Gesundheitswesen jährlich wegen psychiatrischer Diagnosen in Anspruch.
Europaweit sind 165 Millionen Menschen als psychisch erkrankt in der Statistik vermerkt. Von einer Umkehr der Aufwärtskurven ist (noch) nichts belegt. Was Hoffnung gibt. Aber zumindest ist der schlechte, krankmachende Stress, verursacht durch mannigfaltigen Druck der gesellschaftlichen Richtung, besonders gut sichtbar und volkswirtschaftlich bezifferbar in den Sphären des Beruflichen, zum Thema mit großer Beachtung und vielerlei Maßnahmen geworden: Die EU-Gesundheitsagentur lanciert Informationskampagnen zur Stressbekämpfung, Arbeitsschutzgesetze verlangen das Evaluieren psychischer Belastungen an Arbeitsplätzen, der betriebswirtschaftliche Imperativ führt rundherum zum Tun – auch wenn das oft noch im Obstkorb, im Gutschein fürs Fitnesscenter steckenbleibt und letztlich der Sorge um die Produktivität und der Attraktivität als Arbeitgeber geschuldet ist. Das Gute daran: Gesundes Arbeiten ist Gegenstand der unternehmerischen Güte geworden, und wenn die Entwicklung so weitergeht, dann hat Burnout gute Chancen, von einer Medaille der sogenannten Leistungsgesellschaft zu einer unerwünschten Belastung zu werden, die nicht im Tabu verschwindet, sondern der möglichst wenig Chance gegeben wird, sich zu manifestieren. Dabei geht es nicht nur um Potenzialverlust in Unternehmen, sondern ja auch um Exklusion und Elend der Betroffenen und ihrer Angehörigen. Lang schon notwendige Umstellungen im Gesundheitssystem – etwa die Wege in den Teilzeitkrankenstand – geben Hoffnung.
Ohne Alternativen und Humor wird’s nicht gehen. Ein Weniger für viele Letztlich wird aber die eine Säule des gesunden Arbeitens, nämlich die Selbstverantwortung, den größten Ausschlag geben können. Wenn es wahr ist, dass Junge nicht mehr bereit sind, Jahrzehnte ihres Lebens ausschließlich einer Erwerbsarbeit zu opfern, wenn es wahr ist, dass die junge Generation auf dem Arbeitsmarkt, deren Anliegen und Ansprüchen die demografische Kurve Gehör verleiht, Schablonen nicht mehr erfüllt, dann unterliegen Unternehmenskulturen und Arbeitswirklichkeiten gerade einer riesigen Transformation. Die Erkenntnisse der Neurowissenschaften und ihrer Erklärung der chemischen Vorgänge krankmachender Stressfaktoren bei dauernder Kortisolvergiftung im Gehirn, die Verhaltensökonomie und neue Generationen an Führungskräften und Unternehmern lassen berechtigte Hoffnung aufkommen, dass der Burnout-Ära nicht entropische Sinnkrisen, wie Horx belustigt meint, folgen, sondern eine neue Bewusstheit bezüglich individueller Konsequenzen, gesellschaftlicher Auswirkung und weiterer Verstärkung globaler Probleme und Ungleichgewichte beim Weitermachen im Morgen, so wie es gestern getan wurde. Dass solche Umstellungen neue Blicke und Haltungen zu Statussymbolen, zum Haben und Darstellen, eine neue Inhaltsdefinition von Karrieren bedingen, ist klar. Viele meinen auch, es gehe insgesamt um ein Weniger für sehr viele. Vielleicht. Sicher aber geht es um Alternativen und ganz bestimmt benötigen alle Wege dorthin viel Humor. In Gesellschaften und Unternehmen, in denen nicht gelacht werden soll, wird es schwierig werden.
Endocannabinoide: Das Glück des Läufers
Zu viel Sport kann uns förmlich süchtig machen. Forscher der US-Akademie der Wissenschaften („PNAS“) haben eine neue Theorie, warum das so ist.
Langläufer kennen das Glücksgefühl, das Schmerz und Anstrengung vergessen lässt. Oft wird die Ausschüttung körpereigener Endorphine als Ursache genannt. Deutsche Wissenschaftler haben jetzt andere körpereigene Stoffe, die sogenannten Endocannabinoide, stärker ins Spiel gebracht.
Nach Angaben der Forscher um Johannes Fuß vom Institut für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie am Universitätsklinikum Eppendorf und Peter Gass vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim können die im Blut ausgeschütteten Endorphine die Blut-Hirn-Schranke nicht passieren und damit auch nicht die Effekte auslösen. Anders sehe es aber bei den lipophilen Endocannabinoiden aus, deren Werte im Blut von Läufern ebenfalls ansteigen.
Langstreckenmäuse waren weniger ängstlich
In Experimenten sei es erstmals gelungen nachzuweisen, dass das Läuferhoch bei Mäusen mit den Cannabinoid-Rezeptoren zusammenhänge, sagt Fuß, der sich generell für ekstatische Zustände interessiert „sowohl beim Sport als auch bei der Sexualität“. Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher in den „Proceedings“ der US-Akademie der Wissenschaften („PNAS“).
Die Experten testeten ihre Theorie an Mäusen. Die Tiere mussten sich fünf Stunden lang in Laufrädern abstrampeln – und legten dabei bis zu 6,5 Kilometer zurück. Zwar lässt sich an Mäusen kein Glücksgefühl nachweisen, doch das Team konnte dafür Begleiteffekte des Läuferhochs feststellen. Die Langstreckenmäuse waren laut Studie weniger schmerzempfindlich und weniger ängstlich als die Kontrollgruppe.
Um die Schmerzempfindlichkeit zu testen, setzten die Forscher die Mäuse nach dem Lauf auf eine heiße Versuchsplatte. Hier zeigten sich die Langstreckenmäuse im Vergleich zu einer Kontrollgruppe entspannter. Es dauerte länger, bis sie ihre Pfoten leckten oder in die Höhe sprangen. Dies deute auf ein geringeres Schmerzempfinden hin, berichten die Wissenschaftler.
Tests in einer Licht-Dunkel-Box zeigte bei ihnen auch ein geringeres Angstempfinden. Dabei wurden die Mäuse in eine dunkle Kammer gesetzt. Die Forscher verfolgten nun, wie oft und wie weit sich die Mäuse aus der für sie gemütlich dunklen Kammer in die benachbarte gleißend helle Kammer wagten.
Die Sucht nach zu viel Sport
Die Tests ergaben demnach, dass die Langstreckenläufer unter den Mäusen weniger Angst zeigten und sich länger in die für sie unangenehme helle Umgebung wagten. Um ihre Theorie zu untermauern gaben die Wissenschaftler den Mäusen Medikamente, die die Endocannabinoid-Rezeptoren blockten. Hier zeigte es sich laut Fuß, dass die positiven Effekte des Läuferhochs ausblieben – es also einen Zusammenhang geben müsse. Die Blockade der Endorphin-Rezeptoren hatte hingegen keinen Effekt auf das Läuferhoch. Die zugrunde liegenden Mechanismen bei Mensch und Maus dürften ähnlich sein, meinen die Forscher.
Für Menschen kann Runner’s High oder allgemein zu viel Sport auch ausufern und förmlich süchtig machen. „Es gibt Entzugssymptome, die Betroffenen werden aggressiv und unruhig“, warnt etwa der Sportpsychologe Heiko Ziemainz von der Universität Erlangen-Nürnberg. „Sie versuchen alles, um Sport treiben zu können und vernachlässigen ihr soziales Umfeld.“ Andere Experten betonen, dass auch gesellschaftliche Zwänge und das Idealbild eines perfekten Körpers zu einer Sportsucht beitragen können.
Fast die Hälfte der Weltbevölkerung schläft nicht gut. „Schlafstörungen sind eine globale Epidemie“. Wie Bananen, Socken und Hopfen den gesunden Schlaf fördern können.
Fast die Hälfte der Weltbevölkerung schläft nicht gut. „Diese Störungen sind eine globale Epidemie“, so Brigitte Holzinger vom Institut für Bewusstseins- und Traumforschung. Bei Schlafstörungen wird zwischen akuten Problemen (15 Prozent weltweit) und chronischen Erkrankungen (30 Prozent weltweit) unterschieden. Akute Beeinträchtigungen treten über wenige Tage hinweg auf und sind oftmals die Folge von Nervosität oder Stress.
Beschwerden, die sich über einen Zeitraum von mehreren Wochen, Monaten oder sogar Jahren erstrecken, werden zu den chronischen Erkrankungen gezählt. Als häufigstes Problem tritt die sogenannte Insomnie auf, die sich durch Ein- und Durchschlafstörungen äußert.
7 Tipps für einen besseren Schlaf
- Handys und IPads werden immer wieder verdächtigt, Schlafstörungen auszulösen. Eindeutige Beweise fehlen. Zuletzt haben Wissenschaftler um Bengt Arnetz vom Karolinska Institut in Stockholm herausgefunden, dass elektromagnetische Wellen die Schlafqualität der verschiedenen Schlafphasen herabsetzen können. Allerdings wurden gerade einmal 71 Menschen untersucht. Sicherheitshalber könnte man seine Gerätschaften trotzdem aus dem Schlafzimmer verbannen.
- Bäder mit Essenzen der Heilpflanzen Baldrian und Hopfen wirken beruhigend und einschläfernd.
- Gutenacht-Snack. Das in Bananen enthaltene Tryptophan erhöht den Serotoninspiegel. Dieser Stoff wirkt spannungslösend, das Einschlafen wird so erleichtert.
- Alkohol (Bier und Rotwein) macht in geringen Mengen müde. Höhere Alkoholmengen haben allerdings den gegenteiligen Effekt.
- Regelmäßige Bewegung fördert den guten Schlaf. Jedoch sollten Sie sich nicht am späten Abend Sport treiben, denn das regt den Kreislauf zu sehr an, besser wäre ein kleiner Spaziergang.
- Sonnengruß. Die tagsüber gesammelte Unruhe kann man mit Entspannungsübungen aus den Sparten Meditation, autogenes Training und Yoga vertreiben.
- Socken anziehen. Damit man zur Ruhe findet, sollte es weder zu kalt noch zu warm sein. Frische Luft und Bettsocken sind eine gute Kombination.
Atempausen von bis zu 30 Sekunden
Zu den schwersten Erkrankungen zählt die Obstruktive Schlafapnoe (OSA), die zu den Atemstörungen zählt. Bei dieser Form verschließen sich die Atemwege teilweise oder komplett. Dadurch kann es zu einem erheblichen Sauerstoffmangel kommen, der das Risiko von Folgeschäden wie etwa Herzinfarkten oder Schlaganfällen begünstigt. Symptome wie etwa unregelmäßiges Schlafen mit langen Atempausen von bis zu 30 Sekunden, lassen auf die Erkrankung schließen. Dauern die Perioden des Schlafmangels länger an, können sich ernsthafte Krankheiten wie Depressionen, Angstzustände und Herzrhythmusstörungen entwickeln.
In Österreich sind etwa 300.000 bis 400.000 Menschen von dieser gefährlichen Störung betroffen, laut Wolfgang Mallin, Lungenfacharzt und Präsident der Austrian Sleep Research Association, sollen etwa 80 bis 90 Prozent der Betroffenen noch nicht diagnostiziert worden sein. Störungen, die durch ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom bedingt sind, können teilweise operativ behoben oder durch eine nasale Überdruckbeatmung während der Nachtruhe (mittels CPAP-Gerät) behandelt werden.
Guter Schlaf als Basis
Laut Gerhard Klösch von der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Wien, schlafen die Österreicher im Schnitt täglich acht Stunden. Frauen ruhen durchschnittlich um 15 Minuten länger. „Es wäre natürlich noch besser, wenn wir ein bisschen mehr, also etwa neun Stunden, schlafen würden“, so Klösch. „Eine beruhigende, erholsamer Nachtruhe ist eine Grundvoraussetzung für körperliches, psychisches und soziales Wohlbefinden“, betonte Bernd Saletu vom Schlaflabor Rudolfinerhaus in Wien.
Der Yoga-Boom der vergangenen Jahre erfasst immer mehr Bereiche: Kaum ein Wehwehchen oder eine Befindlichkeit, der man nicht mit der alten, fernöstlichen Bewegungslehre beikommen könnte. Die Heilsversprechen rufen zunehmend die moderne Wissenschaft auf den Plan. Immer mehr Studien beweisen tatsächlich, dass Yoga wirkt. Und das in allen Lebensphasen.
Schwanger werden
Bereits 45 Minuten Yoga pro Woche können die Chancen auf ein Baby erhöhen, wenn sich das Wunschkind nicht und nicht einstellen will. US-Forschern der Rush University und dem Fertility Center von Illinois fanden heraus, dass Yoga den Stresslevel und die Anspannung von Frauen, die schon länger schwanger werden wollen, senkte. Gegenüber einer Vergleichsgruppe, in der kein Yoga praktiziert wurde, waren es rund 20 Prozent.
Pränatale Depression
An der Brown University in Providence (USA) wurde die Wirkung von Yoga und Achtsamkeitsübungen auf Depressionen bei 34 betroffenen Schwangeren untersucht. Nach einem zehnwöchigen Programm zeigte sich, dass die Yoga-Übungen tatsächlich die Stärke der Stimmungsschwankungen reduziert hatten. Die Studienautoren resümierten: „Yoga kann für Schwangere mit milder Depression ein sicherer und effektiver Weg sein.“
Rückenleiden
Etwa drei Viertel der Bevölkerung leiden zumindest ein Mal im Leben an Rückenschmerzen. Im Yoga werden unter anderem Körperstellungen praktiziert, die eine bewusstere Körperhaltung fördern oder bestimmte Muskelgruppen dehnen sollen. Eine systematische Übersichtsarbeit untersuchte insgesamt zehn Studien zur Wirksamkeit von Yoga bei chronischen Schmerzen im unteren Rückenbereich. Bei der Plattform medizin transparent von der Donau-Universität Krems fasst man die Ergebnisse so zusammen: Yoga scheine ähnlich gut zu wirken wie andere Bewegungsübungen oder ein herkömmliches Behandlungsprogramm. „Die Besserung war im Durchschnitt zwar nur bescheiden, hielt aber über längere Zeit an.“
Herz und Cholesterin
Die regelmäßigen Übungen wirken auch auf das Herz-Kreislauf-System positiv. Wer regelmäßig Yoga praktiziert, senkt seinen Body-Mass-Index sowie Blutdruck und Cholesterin. Bei Patienten mit bereits bestehenden Herzerkrankungen waren die positiven Effekte zum Teil noch größer als mit der alleinigen Einnahme von Cholesterinsenkern (Statinen).
Arthritis
Sogar die schmerzhaften Arthritissymptome können laut einer im September veröffentlichten Untersuchung der Johns Hopkins-Universität mit den Bewegungsübungen reduziert werden. In der randomisierten Studie (75 Teilnehmer) verbesserten sich die körperliche Gesundheit und Beweglichkeit um 20 Prozent.
Krebs
Als begleitende Therapie bei Tumoren zeigte Yoga bereits in mehreren Studien positive Effekte. So lässt sich etwa der Spiegel des Stresshormons Cortisol signifikant damit senken.
Gehirnfunktionen
Drei Mal wöchentliches Yoga über acht Wochen verbessert die kognitiven Fähigkeiten von älteren Menschen, besagt eine Studie der University of Illinois. Unter 108 Probanden zwischen 55 und 79 Jahren zeigte sich die Yoga-Gruppe geistig flexibler und reagierte in Tests schneller.
Soziale Kompetenz
Eine Studie der Washington State University brachte unter inhaftierten Vätern ein erstaunliches Ergebnis. Bei regelmäßigem Yoga verbesserten sich die Erziehungsfähigkeiten und die Männer reagierten verantwortungsbewusster.
Topthema der Antike, lange vergessen – im Verdacht der Moderne, dem ewigen Streben im Weg zu stehen, ist sie nun Ziel großer Sehnsüchte: Gelassenheit als Antithese zu Zeitgeistthemen wie Burn-out, Überforderung und Stress.
Es scheint so etwas wie das Modewort der Stunde in der Selbsthilfeliteratur zu sein. Knapp 2000 (deutschsprachige) Bücher findet man aktuell auf Amazon zum Stichwort – vom „Einmaleins der Gelassenheit“ und den „Sieben Geheimnissen der Schildkröte“, die dahin führen sollen, über Meditation, die „Gelassen wie ein Buddha“ machen soll, bis hin zu philosophischen Betrachtungen. Gelassenheit als Antithese zu Zeitgeistthemen wie Burn-out, Überforderung und Stress.
Die Sehnsucht nach Gelassenheit, so sagt der deutsche Philosoph Wilhelm Schmid, sei „überbordend groß“, das habe sich für ihn schnell herausgestellt, als er begann, darüber sein Buch zu schreiben (siehe Infobox). „Die Moderne“, sagt er, wühle die Menschen dermaßen auf, wirble ihr Leben durcheinander, dass die Sehnsucht danach wächst. Die sei schließlich immer nach dem am größten, was man nicht hat. „Das hat mit der Zeit zu tun, in der wir leben, einer umtriebigen, nervösen Zeit, keiner gelassenen Zeit“, sagt Schmid.
Das Ideal der Seelenruhe. Dabei ist die große Suche nach der Gelassenheit alles andere als neu. Seit der Ataraxia, dem Ideal der Seelenruhe Epikurs, war Gelassenheit wesentliches Thema der Philosophie. Epikur, der Glücksphilosoph der Antike, quasi Wegbereiter der zeitgenössischen Ratgeberliteratur. In der christlichen Theologie wurde sie mit Meister Eckharts Gelâzenheit im 13. Jh. zum Thema, der schrieb vom „lâzen“. Vom Überwinden von Denk- und Handlungsstrukturen, vom Aufgeben der Weltbindung: „Man muss sich selbst und die ganze Welt lazen.“
In der Moderne aber geriet das in Vergessenheit, „sie fiel dem stürmischen Aktivismus, dem wissenschaftlich-technischen Optimismus zum Opfer“, sagt Schmid. Ihre Zurückhaltung galt als Tugend, simulierte Coolness trat an ihre Stelle. Schmid, selbst lange ein Ehrgeiziger, ein Gestresster, hat vor einem Jahr die große Sehnsucht nach Gelassenheit entdeckt. Damals, kurz vor seinem Sechziger, als das „große Entsetzen, der Schrecken“ über das Älterwerden über ihn hereingebrochen ist, wie er im Gespräch erzählt (siehe Interview). Mittlerweile ist der Schrecken passé, Schmid lacht darüber, erzählt von seinem Weg zu mehr Gelassenheit – und zehn Schritten, die er für diesen ausfindig gemacht hat.
Denn gerade dieses, sein Alter, sagt er, sei quasi vorbestimmt fürs Gelassenwerden. Aber weil das Älterwerden heute eine stürmische Zeit geworden ist, gelinge das nicht mehr so einfach. Seine zehn Schritte, die beginnen damit, die Phasen des Lebens zu akzeptieren. Ihre Unterschiede, ihre Qualitäten. Und, Polaritäten anzunehmen: Das ewige Pendeln zwischen Freude und Ärger, Angst und Hoffnung, Sehnsucht und Enttäuschung. Und dafür müsse man die Eigenheiten des Alt- und Älterwerdens verstehen. Das heißt auch, sich mit dem kleinen Wörtchen „noch“ anzufreunden, sagt Schmid. Noch gesund zu sein, noch genug Zeit und Kraft zu haben. Und das Schwinden von Zeit und Kraft zu akzeptieren.
Von Gewohnheiten und neuer Lust. Fragen, die sich oft mit 60 auftun: Er selbst, erzählt Schmid, habe zuvor kaum mit dem Älterwerden gehadert. „Ich war mir darüber sehr im Klaren. Meine Mutter ist vor fünf Jahren, mit 88, gestorben. Sie hat Älterwerden mit einer Gelassenheit vorgelebt – so kam ich überhaupt auf die Idee, das könnte erstrebenswert sein –, das war phänomenal. Verbunden mit Heiterkeit, was aber immer der Fall ist. Gelassenheit und Heiterkeit sind verschwistert. Insofern hat mir das Älterwerden keine Angst gemacht.“ Umso überraschter war er vom „großen Entsetzen“ mit 60. Nun spricht Schmid von seiner Mutter als Inspiration für einige seiner zehn Schritte: Freundschaften und Beziehungen zu pflegen, Berührungen gerade im Alter zu suchen, obwohl seine Mutter lange Zeit keine Berührung zugelassen hatte. Oder, Gewohnheiten zu pflegen, „darin zu wohnen“, sich führen zu lassen von all dem, was schon entschieden ist, das sei Lebenskunst. Und, vor dem Hintergrund der Gewohnheiten aufgeschlossen zu bleiben für Neues. Auch, für den Genuss von (neuen) Lüsten und Glück, einer von Schmids Schritten. Von „bescheidenen Lüsten, die sich jetzt hervorwagen, da orgastische Orkane vorüber sind.“ Der Espresso, das Glas Wein. Im Wissen, sie werden nicht mehr endlos viele Male zu genießen sein.
Zu seinem Weg gehört auch, mit unvermeidlichen Schmerzen und Unglück einen Umgang zu finden, die Hinnahmefähigkeit zu stärken. Oder, sich mit Tod und Endlichkeit zu befassen – und diese, so der zehnte Schritt, zu überwinden. „Das scheint mir der Fall zu sein, wenn Menschen zur Auffassung kommen, vielleicht ist es nicht so, dass nach dem Leben nichts mehr kommt.“ Dann sei es möglich, sich dem großen Ganzen anzuvertrauen, „in dem mein kleines Leben aufgehoben ist, dann kommt nicht mehr alles darauf an, dass dieses Leben gelingt und so lange wie möglich dauert“, sagt er. „Ich möchte Menschen anregen: Schau doch zu den Sternen. Ist das Endlichkeit oder Unendlichkeit? Sind wir durch eine Betonmauer von dieser Unendlichkeit getrennt? Kann ich mir nicht vorstellen“, sagt er. Religion? „Das ist die Rückbesinnung auf etwas Wesentliches, das unserem Leben zugrunde liegt. Das kann der Kosmos sein, das muss nicht Gott sein. Die einen nennen es so, die anderen anders. Für mich gibt es da keine Unterschiede.“
Aber es gibt auch simplere Helfer, um das nähere Lebensende anzunehmen: Kinder. „Es ist ein großer Trost beim Älterwerden, heranwachsendes Leben zu sehen, dann fühlen Sie sich in einen Kreislauf eingebunden“, sagt Schmid. Der Kontakt zu Jungen schließe einen Kreis, „es ist nicht schlimm, dass mein Leben vergeht, es entsteht ja neues Leben.“ Gelassenheit in zehn Schritten – das ist nicht neu. Zehn Gebote der Gelassenheit, der Dekalog der Gelassenheit, kennt man auch in der Kirche. Sie werden Papst Johannes XXIII. zugeschrieben, es sind Leitsätze für eine unkomplizierte Lebensweise, die stets mit „Nur für heute . . .“ einleiten. Zum Leben, zum Glück, Realismus, zum Handeln, Mut oder Vertrauen. Es sind Leitsätze, die heute in den Statuten von Selbsthilfegruppen stehen.
Begriffsgeschichte als subtile Hilfe. Selbsthilfe-Leitlinien bietet Thomas Strässle – zumindest vordergründig – nicht, der Literaturwissenschaftler hat sich in seinem Buch „Gelassenheit. Über eine andere Haltung zur Welt“ besonnen auf die Suche nach der Bedeutung gemacht. Gelassenheit als Wort, für das es kein wirklich passendes anderssprachiges Pendent gibt.
Über den Zustand, dem einen das Nachdenken über das Verb „lassen“ näher bringen kann. Ein „ominöses Faszinosum“ einer „Gesellschaft der Erschöpften“, die sich mitunter gelassen gebe. Gelassenheit als Mode, als Form der Selbstdarstellung, die deshalb zum „Losungswort“ wurde, weil der Begriff so unscharf ist. Das klärt Strässle mit seiner philosophisch-literarischen Begriffsgeschichte, die ganz alltägliche Einsichten über Gelassenheit enthält.
Mit Souveränität – und bemerkenswerter Gelassenheit – hat sich Literaturwissenschaftlerin Silvia Bovenschen mit dem Älterwerden beschäftigt, geht der Frage nach, wie sich das Alter anfühlt, was man verliert, was man gewinnt. Was macht es mit einem, wenn man den eigenen Körper verfallen sieht, wie sieht das Leben im Rückblick aus, wie ändert sich der Begriff Zeit? Und, man findet Parallelen zu Wilhelm Schmid. Wenn sie schreibt, was man unweigerlich verliert: Schönheit, Kraft, Zeit. Über das, was bleibt, wertvoller wird, wenn Zeit knapper wird: Liebe, Freundschaft, Lust an gutem Essen, Musik, an angenehmer Gesellschaft. Und, es war auch bei Silvia Bovenschen das Alter um die 60, als sie ihr Buch schrieb.
Und wie geht es nach der 60 weiter? „Ich würde sagen, die Arbeit am Buch hat gewirkt“, sagt Schmid, lacht über damalige „Aufruhr“, spricht von neuen Einsichten und Orientierung. Was rät er jemandem, der in so einer Krise steckt? „Sich vor Augen zu führen, in welcher Phase befinde ich mich: Als 60-Jähriger wie ein 40-Jähriger sein zu wollen macht viel Stress. Das kann man auch einfacher haben: Einverstanden sein mit der Phase, in der man lebt.“